Belgarath der Zauberer
erbaut war. Ein Klanoberhaupt der Alorner war tatsächlich in vieler Hinsicht ein kleiner König, und für gewöhnlich umgab ihn eine Schar Gefolgsmänner, die ihm sowohl bei Gericht zur Hand gingen und ihm auch als Leibwächter zur Seite standen. Ich stellte mich den schwer bewaffneten Algarern an der Tür vor, und Pol und ich wurden sogleich eingelassen. Meist ist es lästig, berühmt zu sein, aber manchmal hat es auch Vorteile.
Hatturk war ein stämmiger Alorner mit grauen Strähnen im Bart, einem gewaltigen Bauch und blutunterlaufenen Augen. Er wirkte nicht sehr glücklich darüber, am Vormittag geweckt zu werden. Wie ich bereits vermutet hatte, war seine Kleidung aus Bärenfell gearbeitet Ich habe nie verstanden, warum die Anhänger des Bärenkultes es als angemessen betrachteten, ihrem Totem, dem Bären, das Fell abzuziehen. »Nun«, sagte er zu mir mit rostig klingender Stimme, »Ihr seid also Belgarath. Ich hatte gedacht Ihr wäret größer.«
»Das kann ich einrichten, wenn es dir lieber ist.«
Er blickte mich verwirrt an. »Und die edle Dame?« fragte er mich, um seine Verwirrung zu überspielen.
»Meine Tochter Polgara, die Zauberin.« Ich glaube, daß ich sie damals zum erstenmal so genannt hatte; aber ich wollte Hatturks ungeteilte Aufmerksamkeit und nicht, daß er sich durch Pols Schönheit ablenken ließ. Mir erschien es am besten, ihm klarzumachen, daß sie ihn in eine Kröte verwandeln konnte, damit ihm keine Dummheiten einfielen. Ich mußte Pol bewundern, die bei dieser etwas exotischen Vorstellung keinerlei Regung gezeigt hatte.
Hatturks blutunterlaufene Augen blickten wild drein. »Eure Anwesenheit ehrt mein Haus«, sagte er mit einer steifen Verbeugung.
Ich bekam den Eindruck, daß er es nicht gewöhnt war, sich vor jemandem zu verbeugen. »Was kann ich für Euch tun?«
»Algar Flinkfuß berichtete mir, daß ihr einen Verrückten hier in Darin habt«, sagte ich. »Polgara und ich wollen ihn sehen.«
»Oh, er ist nicht so verrückt, Belgarath. Er hat nur seine Anfälle, wenn er anfängt, wildes Zeug zu reden. Er ist ein alter Mann, und alte Männer sind stets ein wenig seltsam.«
»Ja«, stimmte Pol leise zu.
Hatturks Augen weiteten sich, als er erkannte, was er eben gesagt hatte. »Ich meinte es nicht persönlich, Belgarath«, beeilte er sich zu entschuldigen.
»Ist schon gut, Hatturk«, vergab ich ihm. »Es bedarf mehr, um mich zu beleidigen. Erzähle mir von dem alten Mann.«
»Als er jünger war, war er ein Berserker – der Schrecken jedes Gegners im Kampf. Vielleicht ist das die Erklärung. Seine Familie ist wohlhabend, und als er diese seltsamen Anfälle bekam, bauten sie ihm ein Haus am Ortsrand. Seine jüngste Tochter, eine Jungfer – vermutlich, weil sie schielt -sorgt für ihn.«
»Armes Mädchen«, murmelte Pol. Dann seufzte sie theatralisch. »Ich vermute, daß ich mich auch darauf einstellen muß. Mein Vater ist merkwürdiger als so mancher, und früher oder später wird er einen Aufseher brauchen.«
»Das reicht, Pol«, sagte ich entschieden. »Wenn du ein paar Minuten Zeit hast, Hatturk, würden wir den alten Burschen gern sehen.«
»Selbstverständlich.« Er führte uns aus dem Raum und die Stufen hinunter auf die Straße. Wir unterhielten uns ein wenig, als wir durch die schlammigen Straßen zum östlichen Ende der Stadt gingen. Der Gedanke, Straßen zu pflastern, kam den Alornern erst ziemlich spät. Ich stellte Hatturk einige vorsichtig formulierte Fragen, und seine Antworten bestätigten meine schlimmsten Befürchtungen. Der Mann war durch und durch ein Anhänger des Bärenkults. Es bedurfte nicht vieler Worte, und er ließ sich leicht zu Schmähreden voller Schlagwörter und Klischees hinreißen. Religiöse Fanatiker besitzen nicht viel Vorstellungskraft Für ihren Glauben gibt es keine vernünftige Erklärung; deshalb können sie sprechen, wie immer es ihnen gefällt, ohne auf logische Zusammenhänge zu achten oder auf Wahrheit oder Glaubwürdigkeit.
»Notieren deine Schreiber alles, was der Berserker sagt?« unterbrach ich Hatturks Redeschwall.
»Das wäre eine Verschwendung von Zeit und Geld, Belgarath«, meinte er gleichgültig. »Einer der Priester hat sich angeschaut, was die Schreiber notiert hatten, und er sagte mir, daß ich nur meine Zeit verschwende.«
»König Algar gab dir sehr genaue Anweisungen, nicht wahr?«
»Algar ist manchmal nicht ganz richtig im Kopf. Der Priester sagte, solange wir das Buch der Alorner hätten, brauchten wir uns nicht
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