Belgarath der Zauberer
mich doch erziehen, Vater. Ich finde, das ist jetzt der geeignete Zeitpunkt, etwas über Gestaltwandel zu lernen. Du kannst natürlich tun, was dir gefällt, aber ich werde nicht den ganzen Weg bis Darin durch diesen düsteren Wald gehen, nur damit du dir die Gegend ansehen kannst.« Pol kann aus Kleinigkeiten ein Ultimatum machen. Das ist einer ihrer größten Fehler.
Allerdings hatte sie nicht ganz unrecht. Das Wandern im Wald gefiel mir ausnehmend gut; überdies wollte ich noch ein wenig in Ruhe meinen Gedanken nachhängen, ehe ich meine Tochter in der Kunst der Gestaltwandlung unterwies. Ich wußte auch nicht, ob ihre Gabe schon so weit fortgeschritten war, deshalb stand ich dem Vorschlag zuerst etwas skeptisch gegenüber. »Wir werden es versuchen«, gab ich schließlich nach. Es war einfacher, als mit ihr zu streiten.
»Wann?«
»Morgen früh.«
»Warum nicht jetzt?«
»Weil es dunkel wird. Ich will nicht, daß du gegen einen Baum fliegst und dir den Hals brichst.«
»Wie du meinst, Vater.« Natürlich war ihre Nachgiebigkeit trügerisch. Sie hatte das Wortgefecht gewonnen; also konnte sie es sich leisten, großzügig zu sein.
Am nächsten Morgen war sie schon auf, ehe es hell wurde, und ließ mir kaum Zeit für mein Frühstück. »Los jetzt«, sagte sie, »laß uns anfangen.« Sie wollte das wirklich ausprobieren.
Ich beschrieb ihr alles ganz genau und ausführlich, während sie immer ungeduldiger wurde.
»O Vater, laß uns endlich anfangen«, sagte sie schließlich.
»Also gut Pol«, gab ich nach. »Ich vermute, du kannst dich immer noch zurückverwandeln, wenn du versehentlich die Gestalt eines fliegenden Kaninchens angenommen hast.«
Diese Bemerkung erschreckte sie ein wenig.
»Einzelheiten sind wichtig, Polgara«, erklärte ich ihr. »Bei dieser Sache kommt es wirklich auf Einzelheiten an. Federn sind nicht leicht zu schaffen, weißt du? Also gut Versuche nicht zu hetzen, laß dir Zeit.«
Doch wie sollte es anders sein – sie beachtete meine Anweisungen nicht Falten tiefer Konzentration zeigten sich auf ihrer Stirn. Dann schimmerte sie und verschwamm - und wurde eine schneeweiße Eule.
Sofort schossen mir Tränen in die Augen, und ich unterdrückte ein Schluchzen. »Verwandle dich zurück!«
Sie wirkte erschrocken, als sie wieder ihre eigene Gestalt annahm.
»Tu das nie wieder!« befahl ich ihr.
»Was ist denn los, Vater?«
»Nimm jede beliebige Gestalt an, aber nicht diese.«
»Was stimmt denn mit dieser nicht? Onkel Beldin sagt, daß Mutter sie stets angenommen hat.«
»Eben. Such dir etwas anderes aus.«
»Weinst du, Vater?« fragte sie mich überrascht.
»Ja.«
»Ich wußte gar nicht daß du weinen kannst.« Sie strich mir fast zärtlich über das Gesicht »Ist dir eine andere Eule recht?«
»Verwandle dich in einen Pelikan, wenn du willst Aber nimm diese Gestalt nicht mehr an.«
»Wie wäre es hiermit?« Sie verwandelte sich in eine Haubeneule, und die Federbüschel, die zu beiden Seiten ihres Kopfes sprossen, veränderten die für mich so schmerzhafte Erscheinung, daß ich es ertragen konnte.
Ich sog tief Luft ein. »Gut«, sagte ich, »flattere mit den Flügeln und versuche, dich vom Boden zu erheben.«
Sie schrie mich nach Eulenart an.
»Ich kann dich nicht verstehen, Pol. Flattere nur mit den Flügeln. Wir können später darüber reden.«
Glaubt ihr, daß sie es schon beim ersten Mal perfekt konnte? Das hätte mir verdächtig vorkommen sollen, doch mir steckte noch immer ein Kloß in der Kehle; deshalb dachte ich nicht darüber nach. Mit wenigen Schlägen ihrer weichen Schwingen erhob sie sich in die Luft und umkreiste einige Male die Lichtung. Dann landete sie auf einem Ast und begann, ihre Federn zu reinigen.
Ich brauchte eine Weile, bis ich meine Fassung wiedererlangte; dann ging ich zu ihr und blickte hinauf. »Versuch nicht, dich zurückzuverwandeln«, wies ich sie an. »Du fällst sonst vom Baum.«
Sie sah mich mit ihren großen, ruhigen Augen an.
»Wir müssen in diese Richtung.« Ich deutete nach Nordwesten. »Ich werde mich nicht in einen Vogel verwandeln, weil ich nicht sehr gut fliege. In meiner Wolfsgestalt kann ich wohl mit dir Schritt halten, aber versuche, mich nicht aus den Augen zu verlieren. Ich möchte in deiner Nähe sein, falls irgend etwas schiefgeht Halte dich an die Sonne. Wir werden uns zur Mittagszeit zurückverwandeln.«
Mit dem seltsam hohlen Schrei der Haubeneule schrie sie wieder in meine Richtung.
»Keine Widerrede, Polgara«,
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