Belgarath der Zauberer
andere Teile der Welt erschienen ihnen attraktiver.
Ich glaube, es war im Jahre 2940, als ich nach Vo Wacune reiste, um nach Pol zu sehen. Ich kam gerade rechtzeitig. Ihre Gnaden, die Herzogin von Erat, war verliebt. Ich wußte, daß sie zuviel Zeit in Arendien verbracht hatte.
Als ich eintraf, erging sie sich in dem von einer Mauer aus Marmor umgebenen Rosengarten. »Nun, alter Wolf«, grüßte sie mich, »was hast du so alles getrieben?«
Ich zuckte die Schultern. »Dieses und jenes«, erwiderte ich.
»Ist die Welt noch in einem Stück?«
»Mehr oder weniger. Ich mußte sie allerdings ein paarmal flicken.«
»Sieh dir das an«, sagte sie, schnitt eine Rose und reichte sie mir. Es war eine weiße Rose, doch die Spitzen der Blütenblätter leuchteten lavendelfarben.
»Sehr hübsch«, sagte ich.
»Mehr fällt dir nicht dazu ein? Sehr hübsch? Sie ist wundervoll, Vater! Ontrose hat sie nur für mich gezüchtet.«
»Wer ist Ontrose?«
»Der Mann, den ich heiraten werde, Vater – sobald er es wagt mir einen Antrag zu machen.«
Was war das? An dieser Stelle wurde ich sehr vorsichtig. »Das ist ja interessant, Pol. Schick ihn zu mir, und wir werden darüber sprechen.«
»Hast du etwas dagegen?«
»Das habe ich nicht gesagt. Hast du dir das alles auch gut überlegt?«
»Ja, Vater, das habe ich.«
»Und die Nachteile haben dir nicht zu denken gegeben?«
»Welche Nachteile?«
»Zuerst einmal der Altersunterschied. Er ist gewiß nicht älter als dreißig, und wenn ich mich recht entsinne, bist du neunhundertfünfzig.«
»Neunhundertvierzig. Was hat das damit zu tun?«
»Du wirst ihn überleben, Pol. Ehe du dich versiehst ist er ein Tattergreis.«
»Ich glaube, ich habe das Anrecht auf ein bißchen Glück, Vater – auch wenn es nicht von langer Dauer ist.«
»Habt ihr an Kinder gedacht?«
»Natürlich.«
»Es ist durchaus denkbar, daß sie die Lebenserwartung vom Vater erben. Du wirst nicht alt. Sie schon.«
»Versuch nicht es mir auszureden, Vater.«
»Das tu’ ich ja gar nicht Ich weise nur auf Tatsachen hin. Erinnerst du dich, was du gefühlt hast, als Beldaran starb? Das willst du doch bestimmt nicht noch einmal durchmachen – ein halbes dutzendmal oder mehr.«
»Ich kann es ertragen, Vater. Vielleicht wird mein Leben ganz normal, wenn ich heirate. Vielleicht werde ich auch alt.«
»Ich würde nicht darauf wetten, Pol. Du hast noch viel zu erledigen, und wenn ich den Mrin-Kodex richtig verstehe, wirst du noch eine lange Zeit hier sein. Es tut mir sehr leid, Pol, aber wir sind nicht so wie die anderen. Dich gibt es fast schon tausend Jahre und mich an die fünftausend.«
»Du hast geheiratet.«
»Das war vorbestimmt, und deine Mutter unterschied sich sehr von den gewöhnlichen Menschen. Zum Beispiel lebte sie länger.«
»Vielleicht wird auch Ontrose länger leben, wenn er mich heiratet.«
»Darauf würde ich nicht zählen. Es mag ihm jedoch länger erscheinen.«
»Was meinst du denn damit?«
»Es ist nicht leicht, mit dir auszukommen.«
Ihre Augen wurden kalt. »Ich denke, wir haben soeben die Möglichkeiten dieses Gesprächs erschöpft, Vater. Geh zurück ins Tal, und laß mich nach meinem Gutdünken glücklich werden.«
»Sprich nicht von ›Glück‹, Pol. Das ist uns nicht vorbestimmt.«
Sie richtete sich auf. »Jetzt ist es genug, Vater«, sagte sie. Dann wandte sie sich um und stürmte davon.
Ich blieb noch ein paar Wochen und traf in der Zeit sogar Ontrose. Er war ein netter junger Bursche, und er verstand die Situation viel besser als Pol. Er betete sie an, aber er wußte auch genau, wie lange sie schon in Vo Wacune lebte – etwa sechshundert Jahre, wenn ich nachrechne. Ich war mir ziemlich sicher, daß er ihr keine unangebrachten Fragen stellen würde, egal, wie sehr sie es sich wünschte.
Schließlich verließ ich Vo Wacune und machte mich auf den Weg zurück ins Tal. Ich hatte gewisse Informationen und war recht zuversichtlich, daß aus Pols Verliebtheit nichts Tieferes entstehen würde. Sie wird häufig sowohl in der Darin-Schrift und im Mrin-Kodex erwähnt, aber von einem Ehemann steht dort erst viel später etwas. Entweder würde sie Vernunft annehmen, oder Ontrose würde sie nie um ihre Hand bitten. Jedenfalls bestand kein Grund zur Sorge.
Ich nahm wieder meine Studien auf, aber nur drei Jahre später rief mich Pol. Es war eine stürmische Nacht, als sie mich aus einem tiefen Schlaf weckte. »Vater!« Sie klang verzweifelt. »Ich brauche dich!«
»Was ist
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