Belgarath der Zauberer
»Brauchen wir nicht den Vorteil, den ansteigendes Terrain uns bieten würde?«
»Wir sind nicht unbedingt darauf angewiesen, Altehrwürdiger«, klärte Cho-Ram mich auf. »Die Stadt selbst liegt hoch genug, um Kal Toraks Armee zu langsamerem Vordringen zu zwingen. Sie werden kommen, um sich auf eine weitere Belagerung vorzubereiten. Dann werden wir sie von allen Seiten in die Zange nehmen und gegen die Mauern drängen. General Cerran hat recht. Das ist der perfekte Austragungsort für die bevorstehende Schlacht.«
Eldrig und ich brachten noch einige schwache Einwände vor; dann ergriffen Brand und Rhodar Cho-Rams Seite, und damit war die Sache erledigt. Es war ein mühseliger Weg, ans Ziel zu gelangen, doch uns blieb nichts anderes übrig.
Ein paar Nächte, nachdem wir uns über den Austragungsort für die Schlacht geeinigt hatten, kam Polgara in mein Zimmer in der cherekischen Botschaft. Ich war damit beschäftigt, fluchend einen Abschnitt der Mrin-Prophezeiungen zu studieren. »Was ist nur los mit dir, Vater?« fragte sie mich. »Du bist seit einer Woche gereizt wie ein verwundeter Bär.«
Ich hieb mit der Faust auf die Texte. »Das ist los!« erregte ich mich. »Es ergibt keinen Sinn!«
»Das kann man auch nicht erwarten. Das war doch so beabsichtigt. Es sollte wie Gestammel klingen. Warum erzählst du mir nicht, was dich bedrückt, Vater? Vielleicht kann ich helfen.«
Ich atmete tief durch. »Also gut. Brand ist das Kind des Lichts, nicht wahr? Zumindest für die Dauer dieses EREIGNISSES. Wenn ich das hier richtig deute, muß er an verschiedenen Orten gleichzeitig sein.«
»Lies es mir vor, Vater«, sagte sie geduldig. »Du bringst keinen zusammenhängenden Satz heraus, wenn du aufgeregt bist.«
»Na gut, vielleicht kannst du etwas damit anfangen.« Ich suchte die richtige Stelle in der Schriftrolle und las ihr den verwünschten Abschnitt vor. »›Und das Kind des Lichts soll das Juwel von seinem angestammten Platz nehmen und es dem Kind des Lichts vor den Toren der goldenen Stadt überbringen lassen.‹ Das ist doch ein Paradoxon, oder nicht? Und die können nun mal nicht geschehen.«
»Ich sehe das anders, Vater. Wie lange dauern EREIGNISSE?«
»So lange, wie sie dauern, denke ich.«
»Jahrhunderte? Jahre? Tage? Oder könnten sie nur einige Minuten währen? Oder gar nur einen Augenblick? Wie lange hast du gebraucht, um Zedar in Morindland einschlafen zu lassen? Das war doch eines dieser EREIGNISSE, nicht wahr? Wie lange hast du wirklich dazu gebraucht, Vater?«
»Nicht lange. Worauf willst du hinaus, Pol?«
»Ich habe den Eindruck, daß diese EREIGNISSE nur von sehr kurzer Dauer sind. Die Gegebenheiten sprechen dafür, daß diese Konfrontationen nicht länger als höchstens einige Sekunden dauern. Ein längerer Zeitraum könnte die Existenz des Universums gefährden. Die Prophezeiungen berichten uns, was wir tun müssen, um vorbereitet zu sein. Das kann Äonen dauern, aber das tatsächliche EREIGNIS ist etwas Einfaches, wie eine Entscheidung – oder auch nur ein einziges Wort. ›Ja‹, vielleicht, oder ›Nein‹. Im Mrin-Text steht geschrieben, daß die letzte Auseinandersetzung auf die eine oder andere Weise durch eine Entscheidung herbeigeführt wird. Ich glaube, daß dieses letzte EREIGNIS nicht das einzige ist, das von einer Entscheidung abhängt. Ich glaube, das trifft auf alle zu. Als du Zedar in Morindland trafst, hast du dich entschieden, ihn nicht zu töten. Ich glaube, das war das EREIGNIS. Alles andere war nur Vorbereitung darauf.«
Versteht ihr nun, was ich damit meine, wenn ich von Polgaras klarem Verstand spreche? Vielleicht übertreibe ich hier ein wenig, doch ich beschloß, ihre Erklärung zu glauben, und das machte auch unsere kleine Unterhaltung zu einem EREIGNIS, nicht wahr? Es zeigt überdies, daß EREIGNISSE nicht unbedingt Konfrontationen zwischen den Mittlern der zwei Mächte des Unabänderlichen sind. Nun, das ist ein Gedankengang, der wirklich Kopfschmerzen verursachen kann.
»Ich werde nach Riva gehen müssen«, gab ich ihr bekannt.
»Ach? Warum?«
»Ich muß Eisenfausts Schwert holen. Brand wird es brauchen, wenn die Zeit gekommen ist. In den Mrin-Texten steht geschrieben, daß der Orb ausschlaggebend sein wird, und damit ist auch das Schwert gemeint.«
»Dann denkst du, die Schriften sprechen von dir als dem Kind des Lichts, das den Orb zu Brand bringen soll?«
»Es wäre nicht das erste Mal, daß man mir diese Aufgabe aufhalst.« Ich zuckte die Schultern.
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