Belgarath der Zauberer
Mimbre wurde totenstill, und die asturischen Bogenschützen mähten ganze Bataillone angreifender Malloreaner nieder. Die Offensive geriet ins Stocken, kam zum Stillstand, und dann liefen die Angreifer in die entgegengesetzte Richtung.
Polgara kam am späten Vormittag auf die Mauer und schloß sich uns an. »Ihr wart ja ziemlich fleißig«, stellte sie fest. »Zedar ist am Rande der Erschöpfung.«
»Gut«, sagte ich. »Ich bin es leid, Spielchen mit ihm zu treiben.«
»Werde nicht übermütig, Vater. Zedar ist nicht der einzige dort draußen, wie du weißt. Ich fühle die Gegenwart vieler anderer aktiver Bewußtseinsbildungen. Zedar hat die Grolims zu Hilfe gerufen.«
»Kannst du dir denken, was er als nächstes versuchen wird, liebste Schwester?« fragte Belkira.
»Nicht genau«, erwiderte Pol. »Sie scheinen über Dreck nachzudenken.«
»Dreck?« rief Belkira aus. »Was hat Dreck hiermit zu tun? Da draußen ist nichts als Schlamm.«
»Sie trocknen ihn. Zedar läßt die Grolims alle Flüssigkeit aus der Ebene abziehen.«
»Wozu denn das?«
»Ich weiß es leider nicht, Onkel«, sagte sie. »Aus irgendeinem Grund vertraut Zedar mir seine Geheimnisse nicht an.«
»Zedar war schon immer ein verlotterter Charakter«, stellte Belkira fest. »Ich möchte dir zwar nicht zu nahe treten, Belgarath, aber ich konnte ihn nie leiden. Bist du sicher, daß du bei seiner Erziehung nicht einiges vergessen hast?«
Beltira hätte so etwas nie gesagt.
Ich erkannte, daß meine Brüder nicht vollkommen identisch waren. Es ist nicht leicht, diese feinen Unterschiede zu bemerken. Zwillinge sehen zwar gleich aus, doch es gibt keine zwei Menschen, die einander völlig gleichen.
Pols linke Braue beschrieb schon einen spitzen Bogen, noch ehe sie mich ansah. »Ja?« sagte sie. »Ist etwas?«
»Eigentlich nicht«, entgegnete ich. Ich war mir nie völlig im klaren darüber, wie weit Polgara meine Gedanken lesen konnte, und ich möchte es auch nicht wissen. Durnik hat keine Geheimnisse vor Pol, aber ich habe Geheimnisse, die ich selbst nicht wissen möchte. Wenn man eine gewisse Selbstachtung bewahren möchte, muß man Geheimnisse vor sich selbst haben.
Am späten Nachmittag entdeckten wir, warum Zedar so viel Kraft aufgewandt hatte, den Schlamm auszutrocknen. Der Sturm, den er am Morgen freigesetzt hatte, um die asturischen Pfeile abzulenken, blies noch wirkungslos zu beiden Seiten an der Stadt vorbei, doch er änderte die Richtung, wirbelte über die knochentrockene Ebene und nahm große Staubwolken mit sich. Dieser Staubsturm diente offenbar dazu, einen weiteren Angriff zu tarnen. Wildantors Bogenschützen mußten blind zielen, und das war nicht sehr wirkungsvoll.
»Wir sollten etwas unternehmen, Belgarath!« brüllte Beltira über den tosenden Wind hinweg.
»Ich arbeite daran«, schrie ich zurück, aber sosehr ich mich auch mühte, mir fiel nichts ein.
Polgara jedoch war mir einen Schritt voraus. »Wir haben hier doch einen Fluß, Vater«, sagte sie, »und Zedar hat sich halb umgebracht, um diesen Sturm freizusetzen. Sagt dir das nichts?«
»Nichts Besonderes. Was sagt es dir denn?«
»0 Vater! Ist dein Gehirn eingeschlafen?«
»Sei nicht albern, Pol. Was denkst du?«
»Wir müssen diesen Staub loswerden, nicht wahr? Ich glaube, eine Wasserhose könnte das bewerkstelligen. Was meinst du?«
»Pol, das ist brillant! Laß dir von den Zwillingen helfen. Sie hatten während des Krieges der Götter viel mit schlechtem Wetter zu tun.«
»Wir könnten auch ein wenig Hilfe von dir gebrauchen, Vater.«
»Die bekommst du, Pol.«
»Ach?«
»Ich glaube, Bruder Zedar braucht eine Lektion in guten Manieren.«
»Wirst du nach ihm greifen und sein Herz zum Stillstand bringen?«
»Nein. Ich habe meine Anweisung, ihm keinen dauerhaften Schaden zuzufügen. Aber ich kann ihn ablenken und ihm großes Unbehagen verursachen. Das verstößt bestimmt nicht gegen die Regeln.«
»Viel Spaß«, wünschte sie mir; dann gingen sie und die Zwillinge auf die Mauer zu jener Seite, die an den Fluß grenzte.
Ich erwog einige Möglichkeiten und entschied mich für jene, die Zedar nicht nur großes Unbehagen verursachen, sondern ihn auch erniedrigen würde. Ich suchte ihn mit meinen Gedanken. Man kann sich darauf verlassen, daß Zedar sich so weit wie möglich vom Kampfgeschehen entfernt aufhält. Ich sammelte meinen Willen; dann entließ ich ihn sehr langsam. Ich wollte nicht, daß er etwas merkte, ehe es zu spät war.
Er blickte mit großer
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