Belgarath der Zauberer
Marschen genannt Sie ist eine Ausgestoßene, und dies hier ist der einzige Ort in Drasnien, an dem sie in Sicherheit leben kann.«
»Das liegt vermutlich daran, daß das Feuerholz feucht ist, so daß es nicht einfach ist, Leute am Pfahl zu verbrennen«, fügte die Besitzerin der Hütte nicht ohne Bitterkeit hinzu. »Kommt aus dem Regen, ihr beiden.« Die Hexe der Marschen war eine sehr alte Frau, doch in ihrem Gesicht fand sich noch die Andeutung davon, daß sie einst eine außergewöhnliche Schönheit gewesen sein mußte – verzerrt, zugegeben, durch den bitteren Zug um den Mund. Das Leben hatte es nicht gut gemeint mit Vordai, der Hexe.
Jeder Drasnier und wohl auch die meisten Besucher des Landes hatten von der Hexe der Marschen gehört, doch ich hielt diese Geschichten für nicht mehr als Märchen, was sie wohl auch größtenteils waren. Sie war ganz gewiß kein häßliches altes Weib, und ebenso gewiß lockte sie keine unachtsamen Reisenden in den Treibsand. Bestimmte Ereignisse in ihrem Leben hatten sie anderen Menschen gegenüber gleichgültig werden lassen.
Das Innere der Hütte war peinlich sauber. Die niedrige Decke bestand aus Balken, und der Holzfußboden war so gründlich geschrubbt, daß er nahezu weiß war. Über dem Feuer hing ein Kessel; Wildblumen standen in der Vase auf dem Tisch, und an den Fenstern hingen Vorhänge.
Vordai trug ein schlichtes braunes Kleid, und sie hinkte leicht Sie wirkte müde und ausgemergelt. »Das ist also der berühmte Belgarath«, sagte sie, als sie unsere nassen Umhänge entgegennahm und sie in die Nähe des Feuers hängte.
»Enttäuschend, nicht wahr?« meinte Pol.
»Nein«, erwiderte Vordai, »eigentlich nicht Ich habe nichts anderes erwartet.« Sie deutete zum Tisch. »Setzt euch. Ich glaube, es wird genug für uns alle im Topf sein.«
»Du wußtest, daß wir kommen, nicht wahr, Vordai?« meinte Pol.
»Natürlich. Ich bin eine Hexe.«
Ein Fenling kam durch die offene Tür und stellte sich auf die kurzen Hinterbeine. Er keckerte, wie es die Art der Fenlinge war.
»Ja«, sagte Vordai zu dem kleinen Geschöpf. »Ich weiß.«
»Es stimmt also«, sagte Pol geheimnisvoll und besah sich den Fenling.
»Viele ungewöhnliche Dinge sind wahr, Polgara«, erwiderte Vordai.
»Du hättest das nicht mit ihnen tun sollen.«
»Es hat ihnen nicht weh getan, und ich war der Ansicht, daß es gefährlicher ist sich bei Menschen einzumischen. Alles in allem ziehe ich die Gesellschaft der Fenlinge der meiner Mitmenschen vor.«
»Sie sind zumindest sauberer«, pflichtete Pol bei.
»Weil sie so oft baden. Der Regen wird bald nachlassen; dann kannst du mit deinem Vater eure Reise fortsetzen. Inzwischen werde ich euch ein Frühstück bereiten. Mehr Gastfreundschaft möchte ich euch nicht bieten.«
Hier ging einiges vor sich, das ich nicht ganz verstand. Offensichtlich hatte Polgara sich im Rahmen ihrer Studien mit Hexerei beschäftigt ein Gebiet das ich gänzlich vernachlässigt hatte. Polgara und die Hexe der Marschen tauschten Gemeinsamkeiten aus, die mir unverständlich waren. Eines jedoch erkannte ich wohl: Diese einsame Frau war irgendwann in ihrem Leben sehr schlecht behandelt worden.
Schon gut Garion, du mußt es nicht breittreten. Ja, es ist wahr, Vordai tut mir leid – fast so sehr wie Illessa. Ich bin nicht das Ungeheuer, das ich manchmal zu sein vorgebe. Warum wohl, glaubst du, daß ich getan habe, was ich tat als du und Silk und ich auf unserem Weg nach Cthol Mishrak die Marschen durchquerten? Ich hätte mir sicherlich andere Möglichkeiten einfallen lassen können.
Wie Vordai es vorausgesehen hatte, klärte der Himmel sich bis zur Mittagsstunde. Pol und ich legten unsere nun trockenen Umhänge an und gingen zurück zu unserem Boot.
Vordai machte sich nicht die Mühe, uns zu verabschieden.
Ich stakte das Boot um eine weitere Biegung in diesem sich windenden Kanal, dem wir folgten, und sobald wir außer Sichtweite der einsamen Hütte inmitten der Marschen waren, füllten Polgaras Augen sich mit Tränen. Ich empfand es als unangebracht sie nach dem Grund zu fragen. Wenn die Situation es erfordert kann Pol ausgesprochen rücksichtslos sein, aber sie ist nicht unmenschlich.
Bei Aldurford verließen wir die Sümpfe und gingen zu Fuß weiter entlang der Ostgrenze Sendariens, bis wir den holperigen Pfad erreichten, der nach Annath führte. Am Nachmittag überquerten wir die Grenze. Geran erwartete uns in der Nähe eines Steinbruchs außerhalb des Ortes, als wir endlich
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