Belgarath der Zauberer
Fortbewegung zur Verfügung, wie du weißt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wir befinden uns auf angarakanischem Gebiet, Pol, und das heißt, daß wir uns vor Grolims hüten müssen. Wir sollten kein Geräusch verursachen, solange wir es vermeiden können. Wir werden es allerdings schaffen – sofern das Wetter hält.«
Es hielt natürlich nicht. Ein weiterer Schneesturm folgte dem ersten, und ich mußte uns wieder einen Unterschlupf bauen.
Am Vormittag des folgenden Tages bekamen wir einen Besucher. Der Wind pfiff um unsere zusammengezimmerte Schutzbehausung, und der Schnee wirbelte so dicht, daß wir keine zehn Fuß weit sehen konnten. »Hallo, dort im Lager«, rief eine Stimme. »Ich komme rein! Nicht nervös werden!«
Es schien ein recht alter Mann zu sein, schlank und sehnig, und sein wirres Haar war weiß wie Schnee. Er steckte über beide Ohren in Fellen, und sein Gesicht war braungebrannt und vom Wetter gegerbt. Seine blauen Augen allerdings wirkten alles andere als alt. »Habt euch in Schwierigkeiten gebracht, nicht wahr?« stellte er fest, als er sich durch das Schneetreiben schleppte. »Habt ihr nicht gerochen, daß ein Sturm in der Luft lag?«
Ich zuckte die Schultern. »Ich glaubte, wir kämen rascher voran.«
»Das ist hier in den Bergen schwer möglich. Wohin wollt ihr?«
»Nach Drasnien.«
»Das werdet ihr nicht schaffen. Ihr seid zu spät losgezogen. Ihr werdet hier wohl überwintern müssen.«
»Das ist unmöglich«, sagte Pol.
»Ich kenne diese Berge, Mädchen. Weiter als bis hierher kommt ihr vor dem Frühjahr nicht.« Er musterte uns mit zusammengekniffenen Augen; dann seufzte er. »Da kann man wohl nichts machen. Ihr kommt lieber mit mir.« Er schien nicht übermäßig glücklich darüber zu sein.
»Wohin gehen wir?« wollte ich wissen.
»Ich überwintere in einer Höhle, etwa eine Meile von hier. Es ist keine große Höhle, aber doch besser als der Unterschlupf, den ihr hier habt Und ich kann während des Winters ein bißchen Gesellschaft ertragen. Zumindest habe ich dann jemanden, mit dem ich mich unterhalten kann. Mein Esel ist zwar ein guter Zuhörer, aber er antwortet nicht oft, wenn ich ihm etwas sage.«
Ich bin mir sicher, daß Garion und Silk sich an den alten Knaben erinnern. Wir trafen ihn in denselben Bergen wieder, als wir Jahre später auf dem Weg nach Cthol Mishrak waren.
Er nannte uns nie seinen Namen. Ich bin überzeugt daß er irgendwann einmal einen Namen hatte, an den er sich aber längst nicht mehr erinnerte. Wir unterhielten uns ausgiebig während dieses scheinbar endlosen Winters, erfuhren aber nur wenig von ihm. Ich vermutete, daß er seine Zeit damit verbrachte, in diesen Bergen nach Gold zu suchen, hatte aber den Eindruck, daß er sich nicht sonderlich dabei anstrengte. Er hielt sich nur gern in den Bergen auf.
Ich kenne wohl niemanden sonst, der auf einen einzigen Blick mehr wahrnahm als dieser alte Mann. Unmittelbar nachdem er mich und Pol gesehen hatte, erkannte er, daß er es nicht mit gewöhnlichen Leuten zu tun hatte; aber falls er eine Meinung dazu hatte, behielt er sie für sich.
Ich mochte ihn. Polgara auch, denke ich. Sie war allerdings nicht begeistert darüber, daß er den Esel und unsere Pferde mit uns die Höhle teilen ließ.
Wie der Alte vorausgesehen hatte, kamen noch viele Schneestürme aus Morindland herübergezogen, und die Schneewehen wuchsen beständig. Er ging mit mir auf Jagd, und ich konnte schon bald kein Wildbret mehr riechen. Pol hatte das Kochen übernommen, doch selbst ihr gingen die Rezepte aus, ehe der Winter vorüber war.
Ich erwähnte es zwar nie, aber trotz Pols Abneigung dem Esel gegenüber war das Tier ihr sehr zugetan und zeigte es auch, indem es sie mit seinem Kopf anstupste, für gewöhnlich dann, wenn Pol es am wenigsten erwartete. Vielleicht bereitete es dem grauen Vierbeiner Spaß, sie zu überraschen.
Als es uns schließlich so vorkam, als würde der Winter kein Ende nehmen, begab unser Gastgeber sich eines Morgens zum Eingang der Höhle und sog tief den Geruch der Morgenluft ein. »Bald ist es überstanden«, gab er uns Bescheid. »Heute noch werden wir einen warmen Wind aus Drasnien bekommen, der im Handumdrehen den Schnee wegschmilzt. Der Fluß wird einige Tage lang sehr viel Wasser führen, doch gegen Ende der Woche könnt ihr gewiß euren Weg fortsetzen. Ich habe eure Gesellschaft genossen, aber es wird Zeit für uns, wieder getrennte Wege zu ziehen.«
»Wohin wirst du gehen, wenn das Wetter sich gebessert
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