Belgarath der Zauberer
verbringen, auf etwas zu warten.
Es war im selben Jahr, kurz nach der Wintersonnenwende, als Beldin nach Hause kam. Ich reise nicht gern im Winter, doch Beldin ignorierte stets die Jahreszeiten – vermutlich war das auf seine seltsame Kindheit zurückzuführen. Zum Zeitvertreib las ich ein uraltes melcenisches Epos, das von vermutlich mythischen Abenteuern eines der Nationalhelden berichtete, dem Halbidioten, der in einem kleinen Boot aufs Meer hinausfuhr und die melcenischen Insel vor der Küste Malloreas entdeckte.
»Belgarath!« rief mein buckliger Bruder vor dem Turm. »Mach die dämliche Tür auf.«
Ich ging zum Kopfende der Treppe, »Öffne dich!« wies ich den Stein an, der das Wetter weitgehend aus meinem Turm fernhielt. Der Stein rollte zur Seite, und Beldin kam herein. »Warum hältst du die Tür verschlossen?« wollte er wissen, während er sich den Schnee von den Füßen trat.
»Aus Gewohnheit, vermutlich«, erwiderte ich. »Komm herauf.«
Er polterte die Stufen hoch. »Räumst du nie auf?« fragte er und besah sich mein Durcheinander, an das ich so sehr gewöhnt war, daß es mir gar nicht mehr auffiel.
»Irgendwann werde ich vermutlich Ordnung schaffen. Was hat dich denn dazu getrieben, vom Gipfel des Berges in Cthol Murgos zu klettern?«
»Ein Erdbeben. Ist im Frühjahr irgendwas Wichtiges geschehen?«
»Oh, Geran und Ildera haben geheiratet.«
»Wenn die Zwillinge recht haben, ist das vermutlich das wichtigste Ereignis seit der Schlacht von Vo Mimbre. Das erklärt vermutlich das Erdbeben.«
»Ist Torak aufgewacht?«
»Soweit ich feststellen konnte, nein. Zumindest hat er die Höhlenwand nicht durchbrochen. Wie war die Hochzeit?«
»Nicht übel. Die Zeremonie selbst war ziemlich zäh, aber danach begannen die Lustbarkeiten.«
»Schade, daß ich nicht dabeisein konnte«, meinte er, begleitet von seinem kurzen, häßlichen Lachen. »Ist Ildera schon schwanger?«
»Ich habe nichts dergleichen gehört.«
»Warum dauert das so lange?«
»Es liegt an der Macht des Unabänderlichen, nehme ich an. Die Geburt des Göttertöters ist eines dieser EREIGNISSE, und dabei spielt die Zeit stets eine wesentliche Rolle. Ildera wird nicht schwanger, ehe die Macht den Zeitpunkt für gekommen hält Ist Zedar zur Höhle zurückgekehrt?«
»Noch nicht Vermutlich zieht er noch umher. Haben die Zwillinge gefunden, wonach sie suchten?«
»Nein. Jedenfalls haben sie nichts erwähnt.«
»Bist du sicher, daß Geran der Vater desjenigen sein wird, auf den wir alle warten?«
»Die Zwillinge scheinen dieser Meinung zu sein. Zumindest wird es in diesem Jahrhundert geschehen.«
»Das wird aber auch Zeit!«
»Geduld war noch nie deine Stärke, mein Bruder. Warum hast du so lange gebraucht, um von Cthol Murgos hierherzukommen?«
»Ich hab’ mich noch ein wenig umgeschaut Es gibt Ärger in Mallorea.«
»Ach?«
»Zakath ist zum Kaiser gekrönt worden. Das ist Taur Urgas aus irgendeinem Grund sauer aufgestoßen, und nun plant er, irgendwelche Schritte zu unternehmen.«
»Warum hat Taur Urgas solche Angst vor Zakath?«
»Taur Urgas ist verrückt, Belgarath, und Verrückte brauchen keinen Grund für ihr Tun – oder für ihre Gefühle. Zakath ist ein sehr ehrgeiziger junger Mann, und Taur Urgas läßt ihn von seinen Agenten in Mallorea überwachen. Mallorea ist groß, aber der Gedanke, König der Könige über ganz Angarak zu sein, scheint Zakath aus irgendeinem Grund zu reizen, und das hat man in Rak Goska erfahren. Ich glaube, daß es Taur Urgas sehr nervös macht Mallorea ist mindestens doppelt so groß wie Cthol Murgos, und es leben dort etwa fünfmal so viele Menschen. Wenn Zakath beschließt, die angarakanische Welt zu regieren, kann Taur Urgas nicht viel dagegen unternehmen.«
»Wenn wir Glück haben, erleben wir eine Wiederholung dessen, was in der Wüste von Araga geschah, kurz vor Vo Mimbre.«
»Darauf würde ich nicht bauen, Belgarath. Torak wird nicht mehr lange schlafen, und das alte Brandgesicht ist mindestens ebenso verrückt wie Taur Urgas. Aber er hat ein gutes Gedächtnis. Er wird es nicht zulassen, daß Taur Urgas und Zakath seine Pläne zum Scheitern bringen, so wie zuvor Ctuchik und Urvon.«
»Du sagtest, Taur Urgas wollte Schritte unternehmen. Was hat er vor?«
»Ich hab’ dir doch erzählt, daß Zakath an der Universität in Melcena studierte. Er war von Melcena sehr beeindruckt. Genaugenommen ist Mal Zeth wenig mehr als ein militärischer Stützpunkt; Melcena hingegen ist sehr
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