Belgarath der Zauberer
hat?« fragte Pol den Alten.
Er kratzte sich am Bart. »Darüber habe ich noch nicht entschieden«, erwiderte er. »Vielleicht ziehe ich südwärts oder zurück nach Morindland. Vielleicht warte ich auch ab, in welcher Richtung der Wind bläst wenn die Zeit zum Aufbruch gekommen ist – oder ich überlasse dem Esel die Entscheidung. Es kümmert mich nicht sehr, solange ich nur in den Bergen bleibe.«
Seine Vorhersage, was das Wetter betraf, erwies sich als äußerst genau, und gegen Ende der Woche verabschiedeten Pol und ich uns von dem alten Mann und machten uns wieder auf den Weg. Unter den Bäumen lagen noch Schneewehen, doch die Pfade waren weitgehend passierbar. Nach etwa vier Tagen erreichten wir die drasnische Grenze und eine Woche später Boktor.
Die Seuche, die ich bereits erwähnte, hatte im westlichen Drasnien ihren Tribut gefordert. Unter den Opfern waren auch Rhodars Vater und Silks Mutter. Der König war gestorben, Silks Mutter nicht. Die Krankheit hatte sie grausamst entstellt, hatte ihr aber auch das Augenlicht genommen, so daß sie ihr zerstörtes Gesicht im Spiegel nicht sehen konnte. Silk und sein Vater jedoch konnten es, doch keiner der beiden erwähnte es je. Pol und ich blieben in Boktor und nahmen an Rhodars Krönung teil. Dann kaufte ich ein Boot, mit dem wir auf dem Mrinfluß durch die Marschen gelangen konnten. Ich fühle mich in den Marschen nicht sonderlich wohl, doch auf der Großen Nordstraße waren um diese Jahreszeit für meinen Geschmack zu viele Reisende unterwegs.
Der Winter kann wirklich übel sein; aber manchmal kommt es vor, daß das Frühjahr ihn noch übertrifft – vor allem in den Marschen. Als Pol und ich von Boktor aufbrachen, begann es zu regnen, und mindestens eine Woche lang prasselte es ununterbrochen hernieder. Ich fragte mich schon, ob eine weitere Sonnenfinsternis stattgefunden und den Wetterablauf durcheinandergebracht hatte.
Die meisten von euch haben die Marschen gewiß schon einmal durchquert, da es ja geradezu unvermeidlich ist wenn man von Westen nach Boktor reist. Für alle, die noch nicht dort waren, gibt es wenig mehr zu wissen, als daß sie ein großes Sumpfgebiet sind, das zwischen dem Mrin- und dem Aldursfluß liegt. Überall dort findet man Binsen, Rohrkolben und knorrige Weiden, die ihre Zweige ins Wasser hängen lassen. Die beiden Flüsse sorgen dafür, daß das Wasser sich nicht staut, doch ihre Strömung ist kaum zu bemerken.
Man durchquert die Marschen üblicherweise in einem Boot das gestakt wird. Rudern ist kaum möglich, da die meisten Kanäle zu schmal sind. Ein Boot mit der Stange fortzubewegen gehört nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, doch in den Marschen bleibt einem keine große Wahl.
»Ich glaube, es wäre besser gewesen, bei einem Händler in Boktordie Überfahrt zu buchen«, sagte ich eines Morgens gereizt. »Dann hätten wir den halben Weg nach Darin bereits hinter uns.«
»Tja, zum Umkehren ist es nun zu spät, Vater«, meinte Pol. »Stake weiter.«
Wir sahen auch Fenlinge – etliche sogar –, und dann machte der Kanal, den wir befahren, einen Knick, und vor uns war, zu meinem größten Erstaunen, ein Haus!
Eigentlich war es mehr eine Blockhütte aus verwitterten Stämmen mit reetgedecktem Dach. Es stand inmitten eines Hains aus trist wirkenden Weiden auf einem kleinen Inselchen, das als Hügel aus dem Wasser wuchs.
Als ich das Boot näher stakte, schwamm einer der Fenlinge, die wir gesehen hatten, voraus, erklomm das schlammige Ufer der kleinen Insel, sprang wie ein Otter zur Tür der Hütte und schnatterte aufgeregt.
Die Tür ging auf, und eine Frau blickte uns durch den strömenden Regen ernst entgegen. »Willkommen im Haus von Vordai«, sagte sie zu meiner Tochter und mir, doch dem Klang ihrer Stimme nach waren wir nicht sehr willkommen.
»Ich bin überrascht, hier ein bewohntes Haus vorzufinden«, rief ich der Frau zu.
»Es gibt Gründe«, erwiderte sie. »Ihr könnt hereinkommen – zumindest, bis der Regen nachläßt.«
Ich habe schon höflichere Einladungen erhalten, doch irgend etwas sagte mir, daß ich diese Einladung annehmen sollte, auch wenn sie noch so unhöflich war.
Ich stakte unser Boot ans Ufer, und Pol und ich stiegen an Land.
»Du bist also Vordai«, sagte Pol zu der Frau an der Tür.
»Und du bist Polgara, nicht wahr?« erwiderte die Frau.
»Ich habe wohl etwas verpaßt«, meinte ich.
»Wir kennen uns, Vater, wenn auch nicht persönlich«, erklärte Pol mir. »Vordai wird die Hexe der
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