Belgarath der Zauberer
gähnte, streckte sich und rollte sich zu meinen Füßen zusammen – ganz geschickt, wie ich bemerkte, zwischen mich und die alornischen Mädchen.
Der Rückweg ins Tal meines Meisters war bedeutend kürzer als die Reise ins Land des Bärengottes. Obwohl den Göttern Zeit im allgemeinen nichts bedeutet, können sie, wenn Eile geboten ist, Strecken auf eine Art und Weise zurücklegen, auf die ich nie kommen würde. Wir zogen los, und es schien, als schlenderten wir dahin, während Belar mir Fragen über meinen Meister und das Leben im Tal stellte. Neben uns trottete die junge Wölfin friedlich daher. Nach einigen Stunden verlieh meine Ungeduld mir den Mut, den Gott darauf hinzuweisen, daß wir in Eile waren. »Mein Herr«, sagte ich, »vergebt mir, aber auf diese Weise werden wir gewiß fast ein Jahr brauchen, ehe wir den Turm meines Meisters erreichen.«
»Nein, ganz so lange wohl nicht, Belgarath«, widersprach er freundlich. »Ich glaube, der Turm liegt schon hinter dem nächsten Hügel.«
Ich starrte ihn an, denn ich vermochte mir nicht vorzustellen, daß ein Gott so einfältig sein konnte, doch als wir oben auf dem Hügel ankamen, lag das Tal meines Meisters vor uns, und in der Mitte erhob sich sein Turm.
»Bemerkenswert«, meinte die Wölfin, setzte sich auf die Hinterbeine und starrte mit ihren hellen gelben Augen ins Tal hinunter. Ich war ganz ihrer Meinung.
Meine Brüder waren bereits zurückgekehrt und warteten am Fuß des Turmes unseres Meisters, als wir uns näherten. Die anderen Götter weilten schon bei Aldur, und Belar ging eilends in den Turm, um sich ihnen anzuschließen.
Als meine Brüder meine Gefährtin sahen, wirkten sie überrascht. »Belgarath«, warf Belzedar ein, »ist es klug, einen Wolf hierherzubringen? Du solltest wissen, daß Wölfe nicht die vertrauenswürdigsten Wesen sind.«
Die Wölfin fletschte die Zähne in seine Richtung. Wie, um alles in der Welt konnte sie wissen, was er gesagt hatte? »Wie heißt sie?« fragte mich der sanftmütige Beltira. »Wölfe brauchen keine Namen«, erwiderte ich. »Sie wissen genau, wer sie sind, auch ohne solche Anhängsel. Namen sind das Produkt menschlicher Einbildung.«
Belzedar schüttelte den Kopf und ging ein paar Schritte zurück.
»Ist sie zahm?« fragte Belsambar. Tiere zu zähmen war eine seiner Leidenschaften. Ich glaube, er kannte die Hälfte der Kaninchen und Rehe im Tal beim Vornamen, und die Vögel setzten sich auf seine Schultern, als wäre er ein Baum.
»Sie ist keineswegs zahm, Belsambar«, erklärte ich ihm.
»Wir trafen uns zufällig auf meinem Weg nach Norden, und sie beschloß, mich zu begleiten.«
»Bemerkenswert«, meinte die Wölfin. »Stellen deine Brüder immer so viele Fragen?«
»Woher weißt du, daß sie Fragen stellen?«
»Du bist genauso schlimm wie sie!« Das war eine Angewohnheit meiner Begleiterin, die mich verrückt machte. Wenn sie eine Frage als unwichtig erachtete, gab sie keine Antwort.
»Fragen zu stellen liegt in der Natur der Menschen«, sagte ich verteidigend.
»Neugierige Wesen«, rümpfte sie die Nase. »Wundervoll«, staunte Belkira. »Du hast die Sprache der Tiere erlernt Sei so gut lieber Bruder, und lehre mich diese Kunst.«
»Ich würde das nicht unbedingt als Kunst bezeichnen, Belkira. Ich habe auf meiner Reise in den Norden die Gestalt eines Wolfes angenommen und dadurch ganz von selbst ihre Sprache erlernt Sie blieb mir erhalten, als ich mich zurückverwandelte. Das ist nichts Besonderes.«
»Da magst du dich täuschen, alter Junge«, sagte Belmakor nachdenklich. »Das Erlernen fremder Sprachen ist eine aufwendige Angelegenheit. Vor ein paar Jahren wollte ich Ulgonisch erlernen, aber es gelang mir nicht. Wenn ich nun die Gestalt eines Ulgoners annähme, würde ich mir vielleicht das monatelange Studium ersparen.«
»Du bist faul, Belmakor«, meinte Beldin geradeheraus. »Abgesehen davon, würde es nicht funktionieren.«
»Und warum nicht?«
»Weil ein Ulgoner ein Mensch ist. Belgaraths Wölfin formt die Worte nicht so wie wir, weil sie nicht so denkt wie wir.«
»Ich denke auch nicht so wie ein Ulgoner«, warf Belmakor ein. »Ich glaube, es würde klappen.«
»Du irrst dich, es würde nicht klappen.«
Dieser Streit dauerte etwa hundert Jahre. Keiner der beiden kam darauf, es einfach mal auszuprobieren. Wenn ich allerdings jetzt darüber nachdenke, hatten sie es vielleicht doch erwogen. Doch sie genossen ihr Streitgespräch so sehr, daß sie sich den Spaß nicht verderben
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