Belials Braut
sogar auf Wolken saßen, um von dort auf die Menschen niederzuschauen.
Es gab sie nicht. Weder die Engel noch die Wolken. Es gab nur diese seltsame blaue Umgebung, die sich bis zu einem fernen Horizont hinzog und hin und wieder von weißen Streifen unterbrochen wurde. Ganz anders als die Welt der Engel aus seiner Kindheit.
Erst als sich Angelina etwas von ihm entfernt hatte, merkte er, dass er losgelassen worden war. Craig blieb ebenfalls stehen. Angelina stand schräg vor ihm. Sie sah noch immer so schön aus wie bei der ersten Begegnung. Diese Frau war einmalig. Er begehrte sie noch immer, aber er spürte auch, wie sich die Vorsicht in seinem Innern ausbreitete.
Sie sprach ihn nicht an. Craig Wilson hatte das Gefühl, dass sie darauf wartete, von ihm angesprochen zu werden, und den Gefallen tat er ihr auch. »Wo sind wir hier?«
»Bei mir.«
»Bitte?«
Sie lächelte. »Du wolltest mich doch. Du hast mich wie wahnsinnig begehrt. Ich bin durch deine Träume gegeistert. Ich bin diejenige, die dich beherrscht hat. Hast du das vergessen? Hast du dich nicht nach mir gesehnt?«
»Ja, das habe ich.«
»Und jetzt sind wir allein. In meiner Welt!«
Craig Wilson war so überrascht, dass er nur eine kindliche Frage stellen konnte. »Kann es sein, dass wir im Himmel sind? Hast du mich dorthin mitgenommen?«
Angelina legte ihren Kopf zurück. Er hörte ihr scharfes, sirrendes Lachen. »Nein, wir sind nicht in deinem Himmel. Wir sind in meiner Welt. Wir sind im Reich der anderen Engel. Im Bezirk des Luzifer, des Größten von allen. Eingetaucht in seine Sphäre, die er seinem Freund Belial überlassen hat. Ich bin seine Braut, verstehst du? Ich bin ihm treu so wie er mir treu ist. Nichts kann uns auseinander bringen, auch du nicht. Und wir haben einen Weg gefunden, um uns der Erde zu nähern und den dort lebenden Menschen, deren Einsamkeit immer mehr zugenommen hat. Das stimmt doch – oder? Die Menschen sind einsam geworden. Sie wollen gern allein und für sich leben, aber sie sind nicht glücklich dabei. Sie suchen trotzdem die Kontakte. So wie du es getan hast. Über die neue Technik, über die elektronischen Briefe, und da haben wir uns eingehakt. Ich war der Lockvogel für viele, und die Männer sind auf mich geflogen. Nicht nur du, auch andere. Sie werden in dieser Welt auf ihre zukünftigen Aufgaben vorbereitet, ehe wir sie wieder entlassen.«
Craig Wilson dachte nicht erst über das Gesagte nach. Das war ihm zu kompliziert. Deshalb stellte er eine schlichte Frage.
»Und wenn sie nicht wollen? Wenn sie sich weigern?«
»Verbrennt sie das helle Feuer des Lichts.«
»Dann sind sie endgültig tot?«
»Ja. Engelsstaub...« Angelina schüttelte ihr Haar. Sie weidete sich am Erstaunen des Mannes, der sie auch jetzt nicht aus den Augen ließ. Während sie ihr Haar schüttelte, veränderte sich diese Flut. Wilson glaubte fest daran, dass die Haare eine andere Form bekamen, wie er sie von Vögeln her kannte.
Flügel entstanden!
Jetzt wusste er genau, was ihn noch zu einem richtigen Engel gefehlt hatte. Er hielt den Atem an. Nie zuvor hatte er ein derartiges Erstaunen erlebt. Ein Teil der mächtigen Haarflut war zu Flügeln geworden, die sich auch bewegten, als Angelina ihren Kopf von einer Seite zur anderen wiegte.
Sie hatte dabei den Rücken durchgedrückt. Die Arme hingen starr an ihrem Körper herab. Beide Hände hatte sie ausgestreckt, und nur der Kopf wurde bewegt.
Auf einmal hob sie ab. Sie schwebte in die Luft hinein. Ihr blauer Körper verschmolz mit der Bläue des seltsamen und ungewöhnlichen Himmels.
Es war ein Verschwinden. Es war ein Abschied. Craig Wilson merkte es ganz deutlich. Er wusste, dass sie nichts mehr von ihm wollte. Sie hatte ihn als Gabe bekommen und mit in diese Welt hineingeschleppt, so das er allein zusehen musste wie er zurechtkam.
Noch dachte er nicht an sich selbst, sondern mehr an sie. Verzweifelt suchte er den Himmel ab, um sie wieder zu finden. Er wollte ihr winken, er wollte sie wieder zu sich holen und ihr erklären, dass er alles für sie tun wollte.
Angelina kehrte nicht mehr zurück!
Es war schwer für Craig, dies zuzugeben. Allmählich stahl sich der Gedanke in seinen Kopf, dass dies tatsächlich so war und er völlig allein in dieser Welt war.
Die klare Luft, die trotzdem im Hals brannte. Die Bläue, die nicht finster war, sondern lichtdurchlässig. Daran trugen die hellen Streifen die Schuld, die in allen Richtungen zu sehen waren. Lücken im Blau, aber ohne
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