Belials Braut
und Craig sah, dass auch auf seinen Fingern kleine Haare wuchsen, die ihn an Fell erinnerten. »Du bist ein Liebhaber der Wahrheit – oder?«
Es war eine Fangfrage, das sah Craig ein. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Stimmte er zu, konnte es verkehrt sein, verneinte er, konnte er sich damit auch eine Grube graben. »Im Prinzip bin ich es schon«, versuchte er es auf dem diplomatischen Wege. »Aber es kann auch Ausnahmen geben.« Er hoffte, den richtigen Ton getroffen zu haben, doch es war falsch. Das erkannte er an der Reaktion des Lügenengels, denn in dessen Augen strahlte es auf.
Es war kein helles Strahlen, sondern mehr eine Düsternis, die sich vertiefte. »Ich hasse es, wenn sich jemand nicht klar entscheiden kann. So etwas gefällt mir nicht. Ich möchte um mich herum immer klare Verhältnisse haben.«
»Aber ich bin ein Mensch!«, schrie Wilson. Es war das letzte Argument, das ihm einfiel.
Der düstere Belial jauchzte fast auf. »Ja, du bist ein Mensch. Mit allen Schwächen und Fehlern. Und du bist auch so falsch wie mancher Mensch, das auch noch.« Wie von der Pistole abgefeuert erwischte Craig die nächste Frage:
»Liebst du Angelina?«
»Ja, sehr!«
Die Antwort war spontan erfolgt. Er war auch bei der Wahrheit geblieben und musste in den folgenden Sekunden erleben, dass er einen Fehler begangen hatte.
Ruckartig richtete sich Belial auf. Er schien um die Hälfte zu wachsen.
»Du hast die Wahrheit gesagt, Craig Wilson. Aber ich hasse die menschliche Wahrheit, denn ich lasse nur meine eigene gelten, verstehst du? Nur meine Wahrheit zählt. Hier in meiner Welt und überall. Außerdem darfst du nicht das lieben, was mir gehört. Sie ist meine Braut. Ich lasse sie mir von keinem wegnehmen. Erst recht nicht von einem Zwerg wie dir. Verstanden?«
»Sie wollte es doch selbst!«, rief Craig ihm entgegen.
»Interessiert mich nicht. Sie gehört mir!«
Es war ein abschließender Satz. Das befürchtete Wilson zumindest. Er behielt Recht. Belial schwieg nicht nur, seine Physiognomie hatte sich zusätzlich verdüstert. Jetzt sah das Gesicht aus, als wäre aus dem Innern grauer Staub gedrungen, der sich dann wie Schmiere auf der Haut verteilt hatte.
Craig Wilson wusste, das auch nur der Versuch einer Flucht sinnlos war. Er selbst hatte sich in diese Lage hineingebracht. Er selbst würde sich auch wieder heraushangeln müssen. Das aber würde Belial nicht zulassen.
Wie kann ein Engel nur so scheußlich sein, schoss Craig durch den Kopf. Wie ist das möglich? Ich habe doch immer andere Vorstellungen von Engeln gehabt, und auch Angelina war nicht so schlimm. Sie war so wunderbar.
Wieder holte er sich ihren Anblick zurück. Craigs Gefühlswelt war so stark auf sie fixiert, dass er es ohne weiteres schaffte und ihr Bild auch das des Lügenengels verdeckte.
Aber der war präsent, und Angelina wer es nicht. Das bekam Craig Wilson in den nächsten Sekunden zu spüren, als Belial seinen rechten Arm ausstreckte. Sein mächtiger Körper beschrieb einen leichten Bogen, und der Rücken wurde zum Buckel. Dabei traten die beiden Flügel deutlicher hervor. Auf Craig machten sie den Eindruck von zwei schmutzigen Lappen.
Belial berührte ihn. Craig hatte mit einem harten Schlag gerechnet, aber das traf nicht zu. Es war nur eine leichte Berührung. Ein Tippen gegen die linke Schulter.
Allerdings mit frappierendem Erfolg. Craig Wilson wusste nicht, wie ihm geschah. Urplötzlich war er nicht mehr in der Lage, die Schulter zu bewegen. Es war einfach grauenhaft, denn sie war innerhalb von Sekunden regelrecht eingefroren. Er spürte sie nicht mehr, und dann war wieder die Angst da.
Als heiße Welle raste sie in ihm hoch. Sie jagte in seinen Kopf hinein, als wollte sie das Blut zum Kochen bringen. Er konnte nicht mehr reden, obwohl er seinen Mund weit öffnete. Nur Ächzlaute drangen über die Lippen, und von der linken Schulter her pflanzte sich das fort, was er für unmöglich gehalten hatte.
Es war eine irre Kälte. Wanderndes Eis unter Haut und Knochen. Eine Kälte, die ihn nicht nur äußerlich lähmte, sondern auch im Innern für eine Bewegungslosigkeit sorgte. Er war auch nicht in der Lage, es zu begreifen. Von so etwas hatte er nicht mal geträumt. Alles in seiner oberen Körperhälfte erstarrte. Craig fürchtete sich wahnsinnig davor, dass die Kälte auch sein Herz erreichen würde, um es dann zum Stillstand zu bringen.
So weit nach unten breitete sie sich nicht aus. Sie blieb im Bereich des Nackens und
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