Belisla Piraten 01: Piratenjunge
Segel eingeholt. Es war gegen neun Uhr und die Morgensonne schien wie für einen Urlaubstag. Johnny sah nervös auf das Treiben an Deck, wo die zwölf Kisten seines Großvaters Seite an Seite standen und zum Übersetzen klar gemacht wurden. Ein provisorischer Kran mit einer klackernden Winde war am Hauptmast befestigt worden, jede Kiste ruhte auf einem großen Netz, in welchem sie in eines der zwei Ruderboote gehievt werden sollte.
Am Abend zuvor war Sankt Steven unruhig auf Deck hin und her getigert, um die Kisten herum, ständig flüsternd, als ob er den Schatz beschwören wollte oder ein imaginäres Streitgespräch mit dem toten Steuermann Adam hatte. Johnny hatte mit Toto am Rande, gestanden, um dem Verladen der Ladung nicht im Weg zu stehen und hatte sich von ihm die Bewaffnung erklären lassen. Dann war er mit Pierre und Toto den morgigen Tag durchgegangen. Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen; nun galt es, den Plan auszuführen.
Doch heute morgen war es genau anders herum. Sankt Steven schien die Ruhe in Person zu sein, und Johnny hatte ein flaues Gefühl im Magen und zitterige Beine. Ein Blick nach oben, Sammy Santini hielt Ausguck. Ein Blick nach unten durch die geöffnete Mittelluke im Hauptdeck, wo Zündel Zorn und sechs Kanoniere ihre Lunten und Anzünder vorbereiteten. Die Kanonen waren bereits geladen.
»Wie oft müssen wir übersetzen, damit der ganze Schatz drüben ist?«, fragte Johnny besorgt zu Toto. Ihm ging alles viel zu langsam.
»Wir bekommen zwei Kisten je Runde hinüber. Bei den kleinen Kisten vermutlich drei.« Toto schaute über die Reling, um das Hinunterlassen zu kontrollieren. »Aber wir müssen aufpassen, dass wir die Boote nicht überladen. Ansonsten können wir hier in der Lagune erneut auf Schatzsuche gehen.« Er sah Johnnys sorgenvollen Ausdruck. »Keine Angst, Junger Johnny. Euer Plan wird funktionieren. Es ist gut, dass Ihr nervös seid.«
»Das finde ich jetzt gar nicht. Was soll daran denn gut sein?«
»Wenn Ihr zu selbstsicher vor Athena am Strand steht, schöpft sie bestimmt Verdacht. So aber seid Ihr der kleine Junge, der seine große Schwester wieder haben möchte. Seht das Ganze wie ein Spiel: Wir haben ein Ziel, Euer Plan wird uns dorthin führen, aber durchführen müsst Ihr ihn.«
»Das werde ich mir für den nächsten Plan merken«, meinte Johnny trocken und schaute hinüber zur Insel. Das Ruderboot mit den ersten zwei Kisten war bereits zur Hälfte übergesetzt.
Toto fragte hoch zu Sammy, der Ausguck hielt. »Etwas Verdächtiges zu sehen?«
Sammy ließ den Blick schweifen, dann schaute sein dunkler Schopf über den Rand des Krähennests: »An Land alles ruhig. Ich sehe die Mastspitze des Roten Bukanier über die Bäume hinweg. Zumindest scheint schon jemand da zu sein, auf der anderen Seite der Insel.«
»Sieht es gut aus«, meinte Fetter Pudel, als er durch sein Fernrohr blickte und das zweite Ruderboot näher kommen sah. Am Strand war eine Kanone der Falken aufgebaut und fünf weitere Falken hatten Stellung bezogen als Vorhut.
»Die Kanone sieht nicht gut aus!«, erwiderte Athena.
Fetter Pudel schaute kurz vom Fernglas auf. »Wir würden das genauso machen. Sie trauen uns genau so wie wir ihnen trauen.«
»Nämlich gar nicht.« Athena übernahm das Fernglas und prüfte erneut den Strand und den Falken. »Wir hätten den Strand und die Umgebung erneut absuchen sollen.«
»Unser Trupp von gestern hat drei Stunden sowohl mehrfach den Strand als auch die umliegenden Palmenhaine untersucht. Ihr seht, welche Zeit die Falken brauchen, um den gesamten Schatz anzutransportieren. So lange dauert auch wieder ein Abtransport. Wenn der Schatz erstmal am Strand steht, ist er unser.« Fetter Pudel klang zuversichtlich. Er und Athena waren auf einer kleinen Anhöhe postiert, von der man einen guten Überblick hatte und die durch das tropische Buschwerk getarnt war.
Athena blieb skeptisch. »Trotzdem: wir erwarten ein faules Spiel der Falken.«
Fetter Pudel seufzte. »Das stimmt. Ich wette, sie werden probieren uns mit Steinen gefüllte Kisten anzudrehen.«
»Ich hoffe, dass es so einfach ist. Deine Aufgabe ist daher, die Kisten besonders gut zu kontrollieren.« Athena reichte ihm das Fernrohr zurück. »Ich gehe zurück zum Weststrand und hole das Mädchen.«
Das ‚Mädchen‘ saß am Strand im Palmenschatten und langweilte sich. Um Amelias linkes Handgelenk war ein Eisenarmband gelegt, von dem eine lange Kette um die Palme gelegt war. Ohne schweres
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