Belisla Piraten 01: Piratenjunge
anfingen die gekaperten und getauschten Gegenstände von Bord zu bringen, legte Sammy geduldig Taue zusammen, damit diese schnell wieder verwendet werden konnten. Johnny half ihm dabei.
»Was bedeutet ‚Dorfältester‘?«, fragte Johnny zu Sammy hinüber.
»Cicero ist unser Chef«, erklärte Sammy einsilbig. Sonst sprühte Sammy mit vielen Worten, bei diesem Thema schien er sich zurückzuhalten.
»Ich dache Sankt Steven ist der Hauptmann der Falken?«
»Nein, Sankt Steven ist der Kapitän des Schwarzen Falken, der Kommandant unseres Schiffes. Er befehligt die Mannschaft auf See und auf Kapern. Wenn er dazu gewählt wurde.« Sammy zeigte auf das Piratendorf. »Hier an Land ist Cicero unser Führer. Unser Hauptmann. Er ist für die Sicherheit der Festung verantwortlich, schlichtet Streit und entscheidet zusammen mit den anderen Ältesten über die Kapern.«
»Eine dumme Frage, aber: wie wird man Piratenkapitän oder Piratenhauptmann?«
»Sankt Steven wird von der Mannschaft bestimmt. Jeder Dienstgrad der Mannschaft hat eine unterschiedliche Anzahl von Stimmen. Vor einer gefährlichen Kaperfahrt oder auf Mannschaftsversammlungen wählt die ausfahrende Mannschaft ihren Kapitän, der dann die oberste Befehlsgewalt auf dem Schiff hat. Nach Abfahrt ist da nichts mehr zu rütteln, da wird unter dem Befehl des Kapitäns gekämpft - auf Leben und Tod!«
»Und der Piratenhauptmann?«
»Die zwölf Ältesten regieren über die Insel und wählen den Hauptmann. Cicero ist einer der Zwölf und von der Gruppe zum Hauptmann bestimmt worden. Ich bin seit zwei Jahren bei den Falken und in all dieser Zeit war Cicero unser Hauptmann. Er ist streng, aber gerecht.«
Zwei Jahre war Sammy bereits bei den Falken. Johnny fragte sich, wie er dazu gekommen war und was seine Geschichte war. Aber dies war für ein anderes Mal.
Toto löste sich von den Beuteaufnahme und kam die Gangway hoch auf das Schiff. Sammy hörte auf zu erklären und Johnny hatte das Gefühl, als ob Sammy besser auf Sankt Steven zu sprechen war als auf Cicero, den Ältesten.
Toto zeigte auf das Piratendorf am Kraterhang. »Du wirst bei uns wohnen. Wir haben ein Zimmer frei.«
»Das ist nett, danke!« Johnny war wirklich erleichtert, nicht vergessen worden zu sein. Er holte seine wenigen Dinge aus der Kajüte und folgte Toto von Bord und wurde Totos Frau vorgestellt. Bella war eine gemütlich aussehende schwarze Frau mit freundlichen Augen und schweren goldenen Armreifen. »Herrje, ist der aber dünn!«, rief sie aus. »Geben dir deine Eltern nichts zu essen?«
Johnny würde sich eher als Fresser bezeichnen. So hob er die Hände. »Ich tue mein Bestes, aber ich lege nicht so zu. Zuviel Sport. Zuwenig lernen für die Schule.«
»Sport?« Bella schaute ihren Mann Toto fragend an, der zuckte mit den Schultern und meinte: »Moderne Welt!«
Johnny nahm sich vor, irgendwann einmal diese Unterschiede zwischen Piratenwelt und Moderner Welt zu erklären. Kannte man bei Piraten keinen Sport? Hieß das nicht früher im Mittelalter 'Spiele'? Wobei sich Johnny dann fragte, ob die Piratenzeit im Mittelalter gewesen war. Oder später? Er ärgerte sich erneut, kein besserer Schüler zu sein. Zumindest schien keiner der Piraten, die Johnny bisher getroffen hatte, etwas grundsätzlich gegen die moderne Welt zu haben. Alle Bewohner der Piratenwelt ignorierten sie einfach, ließen alles, was mit moderner Technik oder Fortschritt zu tun hatte, links liegen.
Im Nu war der Falke entladen und richtig vertäut. Die Menschen zogen langsam in ihre jeweiligen Häuser und die Gassen waren erfüllt von den Geschichten und Gesprächen der Bewohner der Falkenburg durch die offenen Fenster. Toto und Bella führten Johnny durch einige Gassen. Die Häuser waren Wand an Wand gebaut mit einzelnen Feuergassen und Durchgängen. Sie kamen an ein kleines blaues Haus. Toto zeigte Johnny sein neues Zimmer im ersten Stock: zwei Stühle, ein Tisch direkt am Fenster mit Blick über die tiefer liegende Häuserreihe auf das Wasser, den Falken und die Fischerboote im Hafen. Ein Bett, ein kleines Regal und eine Seemannstruhe. Eine Öllampe auf dem Tisch und eine an der Decke am Haken. Alles in dunklem Tropenholz gehalten und mit viel Bambus verziert. Und sehr eng, wie alte Museumshäuser. Richard mit seinem Rollstuhl hätte hier keine Freude. Definitiv nicht.
»Heim, mein Heim«, murmelte Johnny und legte das kleine Säckchen mit seinen Anziehsachen in das Regal. »Fertig. Eingezogen!« Zuhause
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