Belisla Piraten 01: Piratenjunge
am Handgelenk, die einzige technische Verbindung zur alten Welt. Kurz vor sieben, Zeit für das Essen. Johnny wanderte Richtung Totos Haus, merkte aber schnell, dass er keine Ahnung hatte, wo das Haus lag. Als sie am Nachmittag den Weg das erste Mal gegangen waren, hatte Johnny mehr auf das wuselnde Leben und die Bewohner als auf den Weg geachtet. Böser Fehler! Er hatte keine Ahnung, wo er hin musste. Was jetzt? Johnny schaute sich um, sah aber enge Gassen, viele Häuser und wenige Menschen. Durfte man als Pirat einen Passanten nach dem Weg fragen?
Johnny machte mehrfach einen Anlauf, um jemanden nach dem Weg zu fragen. Jedes Mal hielt er jedoch inne und traute sich nicht recht.
»Kann es sein, dass du dich verlaufen hast?«, fragte plötzlich eine Mädchenstimme von oben.
Johnny schaute hoch und sah ein Mädchen in seinem Alter auf einem Stützbalken zwischen zwei Häusern balancieren.
»Sieht alles gleich aus hier. Und ich bin neu hier«, versuchte Johnny halbherzig zu erklären. Neu hier? Was rede ich da für einen Stuss? Als ob ich gerade aus der Straßenbahn gestiegen bin!
Das Mädchen ließ sich rückwärts vom Balken fallen, dass Johnny vor Schreck das Herz stehen blieb. Da stand sie nach einem eleganten Salto rückwärts vor ihm und streckte ihm die Hand hin. Johnny blieb dann nichts anderes übrig, als die Hand zu schütteln.
»Ich bin Oceana und du bist Johnny«, stellte das Mädchen fest. Ihre kleine Hand mit total dünnen Fingern hatte einen festen, einen sehr festen Händedruck. Sie hatte kurze pechschwarze struppige Haare, war tiefbraun gebrannt und hatte eine lustige Stupsnase. Ein echtes Piratenkind, fand Johnny.
»Zumindest der letzte Teil stimmt«, meinte Johnny. »Ich werde zum Essen bei Toto und Bella erwartet und bin jetzt zu spät.« Er tippte auf seine Uhr und Oceana ließ seine Hand los und packte das linke Handgelenk, um die Uhr zu studieren.
»Wahnsinn, läuft die Uhr mit einem Fluss? Und die funktioniert im Wasser? Und woher weißt du, dass die Uhr die richtige Zeit anzeigt?«
Nach kurzer Überlegung, wusste Johnny, was Oceana meinte. »Strom, nicht Fluss! Das stimmt, die Uhr ist strombetrieben. Eine kleine Batterie treibt sie an, die den Strom speichern kann. Und die Uhr ist wasserdicht, bis hundert Meter. Warum sollte die Uhr nicht die richtige Zeit anzeigen?«
»Toll. Warum muss eine Uhr noch hundert Meter unterm Meer funktionieren, da ist doch gar kein Licht mehr?«
Johnny wackelte mit dem Kopf. Gute Frage. »Ich würde mal sagen: im Uhrenladen und in der Werbung haben die hundert Meter noch mehr hergemacht.«
»Irre, ein ganzer Uhrenladen! Mein Vater hat viel Aufwand mit seiner eigenen Uhr, damit er die genaue Zeit an Bord hat. Ist wichtig wegen der Navigation, wisst ihr?«
»Leider habe ich von Navigation nicht die geringste Ahnung. Ich habe Sankt Steven an Bord des Falken häufiger mit einem Sextanten gesehen. Ich dachte, den benötigt man für die Positionsbestimmung auf dem Meer.«
Oceana hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und Johnny konnte vermuten, dass es die Richtung nach Hause war. Sie plapperte weiter. »Der Sextant ist ein Instrument, die Zeit ist genau so wichtig. Ich kann einen Sextanten bedienen und kann die dazugehörigen Berechnungen alleine durchführen. Ich bin ziemlich gut in der Schule, und du?«
»Ihr habt hier eine Schule?« Johnny hatte noch nie darüber nachgedacht, dass die Kinder der Piraten Lesen, Schreiben und Rechnen lernen mussten. Und vermutlich Segeln und Fechten oder Kämpfen.
Oceana sah Johnny etwas schief an. »Du bist aber ein Komischer. Gibt es bei dir in der modernen Welt keine Schule?«
»Fährst du ab und zu mit dem Falken auf See?«, fragte Johnny; er wollte nicht unbedingt mit dem Mädchen über seine schlechten Schulnoten sprechen.
Oceana gab ihm einen giftigen Blick. Johnny hatte das Gefühl, dass er diese Mädchen irgendwie beleidigt hatte. »Ihr kommt aus der Modernen Welt, man sieht es ihnen an und ihr redet so.«
»Was hab ich falsch gemacht?«, fragte Johannes. Der Wechsel vom ‚du‘ zum ‚ihr‘ hatte irgendwie eine Mauer zwischen ihnen aufgebaut.
Oceana stoppte Johnny und stellte sich direkt vor ihm hin und drohte mit dem Finger in sein Gesicht. »Wenn Ihr etwas mehr von unserer Welt verstündet, stelltet Ihr nicht dumme Fragen, Junger Johnny«. Dann drehte sie sich um und lief davon.
»Hey, lass mich hier nicht alleine. Ich muss doch...«, rief Johnny hinter ihr her, aber Oceana war
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