Belisla Piraten 01: Piratenjunge
schließlich den Hebel wieder gefunden. Klar zum Entern!
Richard war gerade dabei seine neue Runde zu starten, als er auf der anderen Straßenseite sah, wie sich eine Autotür öffnete und ein dicker kräftiger Mann mit Jeans, Jacke, Glatze und Narbe ausstieg. Und dann auch noch auf die andere Straßenseite ging. Vor Aufregung vergaß er für eine Sekunde, sein Handy in die Hand zu nehmen.
Amelia stieß einen frustrierten Schrei aus und schlug mit der Hand auf den Tisch. Sie versuchte die Segel des kleinen Flaschenschiffs zu fotografieren. Sie musste ganz nah an die Flasche heran gehen, damit die kleine Segelzeichnung auch vernünftig auf dem Kamerabildschirm zu sehen war. Wenn sie dann auf den Auslöser drückte, blitzte es und die Reflexion der Flasche machte das ganze Bild zunichte: es war nur ein heller Blitzfleck zu sehen, aber kein Flaschenschiffsegel.
»Amelia, denk nach, was kannst du machen, ohne die Flasche kaputt zu machen?«, sagte sie zur Kamera. Die Kamera antwortete natürlich nicht.
»Wenn das Bild nicht durch die Flasche in die Kamera kommt, müssen wir das Bild halt außerhalb der Flasche haben.« Sie holte weißes Papier und einen schwarzen Filzstift und begann, die drei Bilder der drei Segel so gut es ging nachzumalen. »Zunge gerade, dann stimmen auch die Proportionen.« Da Amelia immer gut in Kunst und Zeichnen gewesen war, schaffte sie es ziemlich gut, die Bilder abzumalen. Nachdem sie fertig war, legte sie die Zeichnungen auf den Küchentisch und fotografierte sie. »Also, bitte, danke,« sagte Amelia in der besten Manier eines Wiener Kaffeehauskellners und ging rüber in ihr Zimmer, wo der Computer wartete.
Fetter Pudel öffnete das Schloss der Eingangstür zur Blumenstraße 48 mit seinem großen Dolch; ein kräftiger Dreher direkt im Schlüsselspalt von seinen kräftigen Armen, ließ das Schloss schnappen. Er öffnete die Tür und sah in das Treppenhaus, alles sauber, ordentlich und gepflegt; er als Pirat passte bestimmt nicht in dieses Haus und würde ungefähr auffallen, wie ein Walfisch in der Wüste – Gestank und alles inklusive. Er hatte sich immerhin vier Tage nicht waschen können, oder waren es fünf? Er schlich lautlos die Treppe hoch, den Dolch in der Mantelfalte verborgen.
Das Übertragen der Bilder in den Computer war kein Problem, dann verschickte sie die Bilder als E-Mail an die Adresse, die ihr Johannes gegeben hatte, schaltete den Computer wieder aus. Dann eine SMS zum Benachrichtigen für Johannes auf die Telefonnummer von der er gestern angerufen hatte. In diesem Moment klingelte ihr Handy und Richards Name erschien auf der Anzeige und sie nahm das Gespräch an.
»Amelia, mach dich aus dem Staub. Alarm! Ein dicker Glatzkopf ging gerade ins Haus! Und seinen Dolch möchtest du nicht kennen lernen!«, kam Richards atemlose Stimme.
Auf die Schrecksekunde folgte ein schnelles Wischen über den Tisch; alle Dinge, die dort lagen, flogen in ihre geöffnete Tasche. Dann noch den Schlüssel in die Hand und schnell zur Tür. Sie öffnete die Eingangstür und roch einen stinkenden Walfisch.
Fetter Pudel war gerade in der Treppenkehre zum dritten Stock, als die Eingangstür der Gordons aufging und Amelia hinaustrat. Amelia verzog die Nase, und Fetter Pudel wusste bereits, dass sie ihn gerochen hatte. Fetter Pudel stieß einen Fluch aus und fing an, die letzten Stufen der Treppe hinaufzulaufen, den Dolch offen in seiner rechten Hand.
Amelia starrte für einen Sekundenbruchteil auf den herannahenden dicken, glatzköpfigen, narbigen Piraten in Freizeitkleidung, fast komisch anzusehen mit seinem roten schwitzenden Kopf. Weniger komisch, neben dem Gestank: das große Messer in seiner Hand. Ihr Herz machte einen Angstsprung, für Panik blieb aber keine Zeit, für einen Schrei auch nicht. Zurück in die Wohnung oder nach oben? In der Wohnung kannte sie sich zwar aus, aber es gab keine Chance, sich zu verstecken oder durch das Fenster zu entkommen. Nach oben: Amelia lief die Treppe hoch! Sie war vermutlich siebzig Kilogramm leichter als Fetter Pudel und hatte daher aufwärts einen deutlichen Vorteil. Schnell war sie im vierten Stock, dann der fünfte, als der dicke Pirat erst auf der halben Treppe zum Vierten war. Allerdings hörte im sechsten Stock dieses Haus auf, sie waren nicht in New York. Die Tür zum Dachboden war zum Glück immer offen, da dort die Wäsche von den Hausbewohnern getrocknet wurde, die keinen elektrischen Wäschetrockner in der
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