Belisla Piraten 01: Piratenjunge
Weg gemacht. Mama und Papa wussten nichts von ihrem Ausflug, und Amelia war sich 100-prozentig sicher, dass Papa »Nein!« gesagt hätte. Aber warum sollte ausgerechnet ihr kleiner Bruder das große Piratenabenteuer haben und Amelia auf einer stinkenden und langweiligen Insel im Herbst bei dauerhaft schlechtem Wetter abhängen. Papa wäre sicherlich auch sofort aufgebrochen, um sich Opas Flaschenschiff näher anzusehen. Aber das konnte Amelia auch, Verkleidung und alles. Sie hatte sich die Locken hochgesteckt und unter einer Baseballmütze versteckt. Dazu eine Sonnenbrille und Mamas alte Jeansjacke. In diesem Aufzug hätten ihre Freundinnen sie nicht erkannt. Ein auflauernder Pirat ebenfalls nicht. Allerdings machte es ihr etwas Sorgen, dass die bösen Piraten das Haus der Gordons überwachen könnten. Alle Gesichter der Familie Gordon waren bekannt durch die Berichterstattung zu Johannes Entführung. Auch das ihre?
Fetter Pudel hatte die Nachbarschaft ausgekundschaftet. Essen und Trinken konnte er in einem Handelsgeschäft am Ende der Straße kaufen. Er hielt sich dabei an Brotsorten, die er kannte und eine Flasche Wasser. Beim Trinken des Wassers machte er sich zunächst ziemlich nass. Das Wasser war mit einer Art Gas versetzt, ein kräftiger Zug aus der Flasche und die Flüssigkeit kam mit Druck aus seinem Mund und Nase geschossen! Er trocknete sich wieder ab und bezog weiterhin seinen Beobachtungsposten in der geliehenen Metallkutsche. Fetter Pudel hatte von seinem Reisehelfer ein farbiges Bild in der Größe einer Postkarte bekommen - eine Abbildung, der Magie schon sehr nahe kam, scharf und genau konnte er die Familie Gordon darauf erkennen. Das Bild zeigte Mutter, Vater und Amelia Gordon bei einem Treffen mit vielen anderen Leuten aus der modernen Welt und auf einem separaten Bildabschnitt das Gesicht des Jungen.
Amelia hatte kurz vor der Ankunft in ihrer Heimatstadt eine gute Idee. Warum nicht jemanden nehmen, der bei den Piraten bestimmt nicht bekannt war und ihn als Vorhut in die Blumenstraße schicken. Sie rief nacheinander ein paar ihrer Freundinnen an. Keine da, ein Blick auf die Uhr zeigte: die waren alle noch in der Schule um diese Zeit. Mist, wen könnte sie noch fragen? Ihr fiel Richard, der beste Freund von Johannes, ein. Sie wusste, dass Richard wegen seiner Krankheit jederzeit erreichbar sein musste. Auch während des Unterrichts. Sie hatte seine Heimtelefonnummer gespeichert, für den Fall, dass sie ihren Bruder von dort abholen musste. Erst meldete sich Richards Mutter, mit ein paar guten Worten konnte sie ihr die Handynummer von Richard abluchsen. Dann schickte sie eine Textnachricht auf das Handy: »Johannes braucht deine dringende Hilfe. Ruf mich bitte SOFORT zurück.«
Sie gab Richard ein paar Minuten, um den Unterricht zu verlassen und tatsächlich, ein paar Sekunden später klingelte das Telefon.
»Johannes, bist du zurück?«
»Hallo Richard, nein, ich bin es, Amelia. Ich brauche deine Hilfe.«
»Geht es Johannes gut?«
»Seinen eigenen Angaben zufolge ja. Es ist etwas kompliziert, verstanden habe ich auch nicht alles. Es gibt gute Piraten und böse Piraten und eine Schatzkarte. Er hat wohl eine tolle Zeit, den Schatz unseres Großvaters zu suchen. Aber dafür benötigt er etwas aus unserer Wohnung, was ihm bei der Suche hilft.«
»Du weißt doch, ich kann leider nicht in euer Haus, wegen der Treppen.«
»Nein, das mache ich selbst. Ich weiß genau, was ich in Johannes Zimmer suchen muss. Aber ich benötige jemanden, dessen Gesicht bei den Piraten nicht bekannt ist, der die Straße vor unserem Haus unauffällig absucht und schaut, ob die Luft rein ist.«
»Du glaubst, dass eure Wohnung unter Beobachtung steht?«
»Ja. Als wir mit dem Flieger vor ein paar Tagen gelandet sind, wurden wir gleich verfolgt. Das Haus ist der einzige Ort, wo die bösen Piraten wissen, dass die Familie Gordon dort irgendwann hin zurückkehrt.«
»Super. Kein Problem. Mein Rollstuhl fällt nicht auf.«
Geduld, Geduld, summte Fetter Pudel vor sich hin. Im Laufe des Vormittags waren mehrere Menschen der modernen Welt aus dem Haus gekommen oder in das Haus gegangen, allerdings keiner mit auch nur annähernd dem Aussehen eines der Gordon Familienmitgliedern.
Amelia kam am Hauptbahnhof an, wühlte sich durch das Gewimmel von Reisenden und Durchreisenden zur U-Bahn. Ihr fiel Johnnys Warnung wieder ein und sie sah sich regelmäßig um, konnte aber keine Verfolger erkennen. Als die
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