Bell ist der Nächste
voller niedriger grauer Wolken, die auf Regen deuteten.
Ein paar Minuten später fuhr Bridget in ihrem sportlichen kleinen Nissan vor. Ein weiterer Wagen folgte, ein Elektrokleinwagen oder etwas in die Richtung. Bridgets Freundin stieg aus: Ariel oder Amber. Die Lautenspielerin. Sie kamen den Gehsteig auf das Haus zu, und ich ging ihnen entgegen.
»Summit Street«, sagte Bridget. »Nummer 315. Er ist direkt dorthin gefahren.«
»Er hat dich nicht bemerkt?«, sagte ich.
»Auf keinen Fall. Es war eine perfekte Beschattung. Amber ist eine Naturbegabung.«
Amber also. Nicht Ariel. Ich sah, wie die Frau Bridget an der Hand fasste. »Erzähl ihm von dem Zaun, Bridge«, sagte sie.
»Es gibt eine Einfahrt neben dem Haus«, sagte Bridget, »und einen hohen Zaun, der das Grundstück an drei Seiten umgibt. Man könnte mit einem Kleinbus reinfahren und jemanden ins Haus bringen, ohne dass einer der Nachbarn irgendetwas sehen würde.«
Ich nickte. »Was ist mit der anderen Sache, über die wir gesprochen haben?«
Sie ließ Ambers Hand los und bat sie, uns einen Moment allein zu lassen. Amber verdrehte die Augen und sagte: »Die Erwachsenen müssen sich mal unterhalten.« Sie ging mit einem Zwinkern an mir vorbei, und einen Augenblick später hörte ich, wie sich die Haustür hinter ihr schloss.
Bridget sagte: »Bist du sicher, dass du sie willst?«
Ich gab darauf keine Antwort, und sie griff in ihre Handtasche – eine größere als die, die sie beim letzten Mal dabeigehabt hatte. Sie holte einen Make-up-Beutel heraus, ein Stofftäschchen mit Blumenmuster und Reißverschluss.
Ich spürte das Gewicht, als sie mir den Beutel gab.
»Es ist ein Revolver«, sagte sie. »Ich hab ihn letztes Jahr von einem Bewunderer erhalten.«
»Ist er registriert?«, fragte ich. »Ich möchte dir keinen Ärger bereiten, falls ich ihn benutzen muss.«
»Der Gentleman, der ihn mir geschenkt hat, glaubt nicht an Waffenscheine und Registrierungen … ich vermute, es bringt nicht viel, wenn ich dir sage, du sollst vorsichtig sein.«
»Du kannst es ja versuchen.«
Sie versuchte es nicht. Stattdessen stellte sie sich auf die Zehenspitzen und berührte mit ihren Lippen meine Wange.
37
Regen besprenkelte meine Windschutzscheibe, als ich durch die Summit Street fuhr. Ich rollte an der Hausnummer 315 vorbei und entdeckte Alan Becketts Lexus in der Einfahrt.
Ich parkte einen halben Block entfernt. Auf dem Rasen vor dem Haus gegenüber der 315 stand ein Schild ZU VERMIETEN. Die Immobilienfirma, die das Haus vermietete, war Casterbridge Realty.
Man musste nicht großartig kombinieren, um auf den Gedanken zu kommen, dass auch die Nummer 315 Casterbridge Realty gehören könnte. Damit wäre eine Menge erklärt. Ich wusste, dass Beckett in Lansing wohnte. Aber wenn er in Callie Spencers Nähe bleiben wollte, wäre es sicher hilfreich, auch eine Unterkunft hier in der Stadt zu haben. Ich hatte die großen Hotels angerufen, dort war er nirgendwo abgestiegen. Eine unbewohnte Casterbridge-Immobilie wäre eine praktische Behausung.
Es wäre auch eine praktische Behausung, um Lucy Navarro gefangen zu halten.
Ich zog den Reißverschluss von Bridgets Make-up-Täschchen auf und holte den Revolver heraus, einen silbernen 38.er mit schwarzem Griff. Als ich den Zylinder öffnete, waren alle Patronenkammern leer. Ich lud sie mit sechs Kugeln aus dem Täschchen. Es waren noch sechs weitere da.
Ich erwog zu warten. Sollte Beckett wegfahren, würde das Ganze wesentlich einfacher. Ich konnte reingehen, und es wäre immer noch ein Einbruch, aber ich müsste ihn nicht mit der Waffe bedrohen. Es hatte schon seinen Sinn, so wenig Verbrechen wie möglich zu begehen.
Ich saß da und starrte auf das Haus. Die Sekunden verrannen. Eine Minute. Zwei. Beckett fuhr nicht weg.
Mein Telefon klingelte. Das Geräusch schreckte mich auf. Ich blickte auf das Display. »Hallo, Nick.«
»Hey, Mann. Ich habe gehört, man hat Sie niedergeschossen.«
Auf der Scheibe der Autotür sammelten sich dünne Regenspritzer. »Woher hast du das denn?«
»Wir haben hier oben Internet. Stimmt das?«
»Es stimmt. Aber es ist etwas übertrieben. Es war nur ein ganz kleiner Schuss.«
»Ein kleiner?«
»Kaum der Rede wert. Was machst du gerade?«
»Ich beobachte Sam Tillmans Haus. Er hat letzte Nacht wieder auf der Couch geschlafen. Ich glaube nicht, dass seine Frau sehr glücklich mit ihm ist.«
Ich sah weiter auf das Haus. »Du solltest nicht die Häuser anderer Leute beobachten,
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