Bell ist der Nächste
dazu durchringen, mir Larks Brief zu geben. Er hatte Angst, seine Frau könnte herausfinden, dass er das hinter ihrem Rücken getan hatte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er eine Entführung organisiert kriegt.«
42
Am Samstag schlief sich Anthony Lark aus und fuhr dann kurz nach zwölf Uhr mittags aus South Bend ab.
Im Kofferraum seines Chevy lag sein Jagdgewehr, zusammen mit Walter Delacortes Pistole. Paul Rhiners Pistole lag versteckt unter einer Zeitung auf dem Sitz neben ihm. Lark trug einen Anzug, den er am Tag zuvor gekauft hatte. Dunkelgrau, dazu ein weißes Hemd und einen schwarzen Seidenschlips.
In seiner Hosentasche hatte er Delacortes Geldklammer verstaut. Selbst nachdem er die Kleidung und das Hotel bezahlt hatte, waren es immer noch fast dreitausend Dollar.
Am ersten großen Discountladen, an dem er vorbeikam – einem Walmart Supercenter –, hielt er an und zog einen von Delacortes Fünfzigern heraus, um sechs Flaschen Wasser und einen Satz Schraubenzieher zu kaufen.
Zurück im Auto öffnete er eine Flasche Wasser und versuchte herauszufinden, ob Kopfschmerzen im Anflug waren. Er schüttelte sich eine Kapsel Sumatriptan in die Hand, betrachtete sie und ließ das Pulver dann zu Boden rieseln. Er zündete den Motor und fuhr an den geparkten Autos entlang, bis er einen Wagen wie seinen eigenen entdeckte – einen grauen Chevy Malibu.
Er parkte drei Plätze weiter und schraubte das hintere Nummernschild ab, um es durch das Schild des anderen Malibu zu ersetzen.
Vom Walmart aus fuhr er in südlicher Richtung auf der I-94, die ihn nach Ann Arbor und zu Sutton Bell führen würde. Im Kopf überschlug er, dass er ungefähr eineinhalb Stunden brauchen würde. Die Polizei war auf der Suche nach ihm, aber das neue Nummernschild hielt sie vielleicht lange genug fern. Besser wäre bestimmt, wenn jemand anders den Wagen fuhr.
Er kam an eine Kreuzung und trat auf die Bremse. Die rote Ampel hatte ihn offenbar völlig in Bann geschlagen, denn ein Klopfen an dem Fenster auf der Beifahrerseite ließ ihn zusammenzucken.
Er wandte den Kopf und erblickte einen unrasierten Mann mit grau meliertem Haar und einer Tarnjacke. Der Mann hielt ein Pappschild hoch, auf dem OBDACHLOSER VETERAN – MACHE JEDE ARBEIT FÜR ETWAS ESSEN stand.
Für Lark sahen die Buchstaben aus wie Gras im Frühling.
»Es sieht aber nicht so aus, als wäre das da hinten sehr bequem für Sie.«
»Doch, doch, ich liege gut«, sagte Lark.
Er hatte sich seitlich auf der Rückbank ausgestreckt und sich eine Decke aus dem Kofferraum unter den Kopf gestopft. Seine Anzugjacke hing über der Lehne des Beifahrersitzes. Durch das Fenster konnte er blauen Himmel und Baumwipfel sehen, die vorbeirauschten.
»Stört Sie das Radio?«, fragte sein Begleiter. »Ich kann’s auch leiser machen.«
Im AM-Sender wurde ein Baseballspiel übertragen.
»Ist okay so«, sagte Lark.
»Ich will Sie nicht wach halten, wenn Sie erschöpft sind.«
Lark betrachtete den Hinterkopf des Fahrers, das Gewirr aus grau meliertem Haar. Er glaubte weder, dass der Mann obdachlos, noch, dass er ein Kriegsveteran war. Ein echter Obdachloser hätte einen Schlafsack oder einen Rucksack oder so etwas dabeigehabt. Mehr als eine Tarnjacke und ein Pappschild.
»Mir geht’s gut«, sagte Lark. »Seien Sie unbesorgt.«
Er hatte nicht vor, einzuschlafen, dafür war der Mann nicht vertrauenerweckend genug. Er hatte ihm einen Hunderter gegeben und einen weiteren versprochen, wenn sie Ann Arbor erreichten. Aber er hatte etwas in den Augen des Mannes gesehen, einen Funken aus Schläue und Gier. Er hoffte, mehr als zweihundert Dollar in die Finger zu kriegen.
Lark hatte Paul Rhiners Pistole unter der Fußmatte hinter dem Fahrersitz versteckt, wo sie leicht zu erreichen war.
»In welchem Bereich, sagten Sie noch, arbeiten Sie?«
Lark hatte gar nichts gesagt, aber jetzt dachte er darüber nach. »Werbung«, beschloss er.
»Im Ernst«, sagte der Mann. »Wie die Werbung im Fernsehen?«
»Plakatwerbung«, sagte Lark.
Das verschaffte ihm ein bisschen Ruhe. Was kann man schon zu Plakatwänden sagen?
Das Baseballspiel im Radio erreichte in diesem Moment seinen Höhepunkt. Lark musterte das Durcheinander von Bierflaschen hinter dem Fahrersitz. Er hatte am Mittwoch einen Sechserpack gekauft. Zwei Flaschen waren immer noch ungeöffnet. Das Bier war jetzt zu warm zum Trinken, aber er hätte nicht übel Lust.
Zwischen den Flaschen erblickte er ein Notizbuch. Nicht sein eigenes; dies war ein
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