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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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schaffen – ein luftiges Etwas, weiß und schlicht. Und dann beugte er sich vor, um ihre Brüste zu küssen. Seine Hände glitten an ihrem Rücken hinab und in ihren Rockbund. Er hob sie hoch und setzte sie auf den Küchentresen.
    Ich hatte genug gesehen. Geräuschlos sprang ich hinunter ins Gras. Callie Spencers sorgfältig kontrollierter Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie eine ziemlich genaue Vorstellung von dem hatte, was ich eben gesehen hatte. Ich wollte schon den Kopf schütteln, als könnte ich sie damit aufhalten, aber sie hatte bereits einen nackten Fuß auf die Tonne gestellt.
    Ich half ihr hinauf und legte ihr eine Hand ins Kreuz, damit sie das Gleichgewicht fand. Sie brauchte diesen Halt, denn sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen. Ich wartete und lauschte auf ihren Atem. Sie blieb ein paar Sekunden lang dort oben stehen, lange genug, um alles sehen zu können. Und lange genug auch, um mir meinen Irrtum klarzumachen. Sie war heute Abend gar nicht mir gefolgt. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hatte in ihrer Straße geparkt und ihr Haus beobachtet, aber sie hatte gar keinen Grund gehabt anzunehmen, dass ich überhaupt dort war. Sie war ihrem Mann gefolgt.
    Sie stützte sich mit einer Hand auf meine Schulter, um wieder herunterzusteigen, und lief wortlos über die Einfahrt zurück. Ich ließ die Abfalltonne im Gras liegen und ging ihr nach. Als sie wieder an ihrem Wagen war, schlüpfte sie in ihre Sandalen und drehte sich zu mir um. Es war zu dunkel, als dass ich irgendetwas in ihren Augen hätte lesen können. Sie ging auf die Fahrerseite. »Ich fahr nach Hause«, sagte sie.
    Keine explizite Einladung, aber so nah dran, wie es unter diesen Umständen nur möglich war.
    Als ich meinen Wagen erreichte, war sie bereits um die Ecke verschwunden. Ich musste ihr nicht folgen, ich kannte den Weg. In der Bedford Road war nun der Mond zu sehen, eine Sichel hoch über dem Dach ihres Häuschens. Callies Ford stand in der Kieseinfahrt.
    Ich fuhr am Gästehaus vorbei und ließ meinen Wagen an der Straße stehen. Callie hatte die Tür angelehnt gelassen.
    Ich schloss sie hinter mir, laut genug, damit sie mich hören konnte. Sie stand mit dem Rücken zu mir neben einem Ledersofa und hatte den Kopf gesenkt. Als ich näher kam, drehte sie sich um. Sie hatte die Lippen zusammengepresst, versuchte, nicht zu weinen.
    Ich streckte die Hand nach ihr aus, und sie kam zu mir, verbarg ihr Gesicht an meiner Schulter. Ihr Haar war seidig und roch nach Erdbeeren. Ich legte ihr eine Hand in den Nacken und spürte die Hitze ihrer Haut. Sie legte ihre Arme um mich und hielt mich mit einer Kraft umarmt, die mich überraschte.
    Ich verlor das Gefühl dafür, wie lange wir so dastanden. Ich spürte die Feuchtigkeit ihrer Tränen an meiner Schulter. Schmerz, wo sich ihr Arm gegen die Wunde in meiner Seite presste. Ich ließ meine Hand ein wenig nach unten gleiten, spürte die Schulterblätter unter dem dünnen Stoff ihres T-Shirts und streichelte ihr den Rücken.
    Schließlich entzog sich Callie mir wieder und wischte sich über das Gesicht. Und ich wurde Zeuge ihrer Verwandlung. Sie reckte sich und hob ihr Kinn. Sie verbarg jetzt die Verwundbarkeit, die sie mir eben noch gezeigt hatte.
    »Sie hätten nicht hierherkommen sollen«, sagte sie mit trockener, leerer Stimme. »Ich kenne Sie nicht. Ich kann es mir nicht leisten, Ihnen zu vertrauen. Wenn Sie glauben, ich gehe jetzt mit Ihnen ins Bett, dann sollten Sie noch mal scharf nachdenken. Ich habe ein besseres Urteilsvermögen als mein Mann und auch mehr Selbstkontrolle. Ich bin kein zerbrechliches kleines Ding, das getröstet werden muss.«
    Sie verschränkte trotzig die Arme. »Sie sind ein guter Schauspieler«, fuhr sie dann fort. »So außerordentlich gütig. Ich brauche Ihr Mitleid nicht. Ich mag Sie nicht. Sie haben jetzt etwas in der Hand, womit Sie mich verletzen können. Ich bin sicher, das macht Sie richtig glücklich. Ich hasse Sie. Wenn Sie auch nur eine Spur von Anstand haben – und ich vermute, ich bin so verrückt, daran zu glauben –, dann verschwinden Sie jetzt und vergessen alles, was eben geschehen ist.«
    Die ganze Zeit, während sie sprach, sah sie mich an, dann aber senkte sie den Blick. Ich fragte mich im Stillen, was ich denn nun vergessen sollte – unsere Umarmung oder die Untreue ihres Ehemannes.
    »Ich fürchte, ich habe kein einziges Wort von dem verstanden, was Sie gerade gesagt haben. Falls also irgendetwas davon an mich gerichtet

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