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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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Wahlveranstaltungen rechne ich mit den Buttons, aber nicht auf Cocktailpartys.«
    »Vielleicht mag ich die Botschaft ja.«
    »Vielleicht halten Sie sie ja für ziemlich hohl«, sagte sie. »Da wären Sie nicht der Einzige.«
    »Nein, das ist schon ziemlich clever«, sagte ich. »Denn es löst ein wirklich schwieriges Problem. Wie oft war John Casterbridge im Senat – viermal?«
    »Fünf.«
    »Fünf. Und Sie treten als seine Nachfolgerin an. Aber Sie können nicht einfach so sagen: ›Callie Spencer. Dasselbe in Grün.‹ Das würde niemanden interessieren. Und Sie können es sich auch nicht leisten, den Senator in irgendeiner Weise zu kritisieren – ganz gleich, was für Veränderungen Sie vornehmen möchten, wenn Sie erst einmal im Amt sind. ›Ein Neuanfang‹ hat also genau die richtige Unschärfe. Es impliziert, dass die Dinge besser werden, ohne ausdrücklich zuzugeben, dass vorher etwas auch nicht so gut gelaufen ist.«
    »Ja, aber manchmal, wenn ich eine Rede halte, mache ich mir plötzlich Sorgen, ich könnte auf solchen wolkigen Allgemeinplätzen einfach davonschweben.«
    »Warum wollen Sie dann überhaupt kandidieren?«
    Sie sah sich um, als meinte sie, sichergehen zu müssen, dass niemand uns hören konnte.
    »Jemand muss es tun«, sagte sie leise.
    »Meinen Sie das ernst?«
    »Jemand muss ja der nächste Senator aus Michigan sein«, sagte sie. »Ich glaube, ich könnte einen passablen Job abliefern. Es gibt bestimmt auch andere geeignete Kandidaten, aber manche würden den Job viel schlechter machen als ich. Wenn ich verhindern kann, dass ein Versager in das Amt gelangt, dann ist das schon die halbe Miete. Fragen Sie John Casterbridge. Wenn er den Mund aufmachen würde, dann würde er Ihnen erzählen, dass er darauf am stolzesten ist, was er verhindert hat. Von den großen Ideen, die gut klingen, aber katastrophale Folgen gehabt hätten, bis zu den kleinen Idiotien, die niemals auf die Tagesordnung gekommen sind, weil er sie rechtzeitig stillschweigend beerdigt hat. Ich mache keine großartigen Versprechungen, aber wenn ich gewählt werde, richte ich auch keinen fürchterlichen Schaden an. Und vielleicht gelingt mir sogar das eine oder andere Gute. Wähler, die mehr als das erwarten, machen sich nur selbst etwas vor.«
    Mit ihren braunen Augen sah sie mich ruhig an und wartete auf meine Reaktion.
    »Nicht schlecht«, sagte ich. »Das sollten Sie in eine Ihrer Reden aufnehmen.«
    Sie belohnte mich mit einem Lächeln, das immer strahlender wurde, wie ein Sonnenaufgang über dem Wasser.
    »Das würde ich nicht wagen«, sagte sie. »Und sollten Sie mich irgendwo zitieren, würde ich bestreiten müssen, dass ich das jemals gesagt habe.« Mit diesen Worten veränderte sich ihr Verhalten. Einen Moment lang hatte sie mich etwas von ihrem wahren Selbst sehen lassen, aber jetzt verschloss sie es wieder tief und fest. »Ich freue mich, dass Sie heute Abend kommen konnten. Ich wünschte, wir könnten noch weiterreden, aber ich muss mich auch um meine anderen Gäste kümmern.« Reflexartig streckte sie die Hand aus und berührte mich an der Schulter, und bevor ich noch irgendetwas sagen konnte, war sie weg.
    Ich sah mich um und entdeckte Elizabeth, die mit Harlan Spencer sprach. Sie saß auf dem Stuhl, den John Casterbridge bis vor ein paar Minuten noch in Beschlag genommen hatte. Der Senator war nirgendwo zu sehen.
    An der Bar holte ich zwei Gläser mit Mineralwasser. Eins behielt ich, und das andere stellte ich auf den niedrigen Tisch neben Elizabeths Stuhl. Ich blieb für einen Moment stehen und hörte Harlan Spencer zu, der eine Geschichte aus seiner Jugend in Sault Sainte Marie erzählte, dann bückte ich mich zu Elizabeth hinunter und sagte ihr, dass ich hinausgehen wolle, um etwas frische Luft zu schnappen.
    Die Geräusche der Party verklangen, als ich ins Erdgeschoss kam. Eine der Serviererinnen hielt mir die Haustür auf, und ich trat in den lauen Abend hinaus. Ich zog mein Jackett aus und legte es über meinen Arm, schlenderte über die hufeisenförmige Einfahrt. Auf der Straße war alles ruhig. Ich spazierte auf die Rückseite des Hauses an einem eingezäunten Gärtchen vorbei. Ein breiter Plattenweg mündete in einige Stufen, die zu einem weiß getünchten Pavillon hinaufführten. Im diffusen Licht, das aus dem Haus drang, sah ich dort oben gegen das Geländer gelehnt jemanden stehen – John Casterbridge.
    Er wartete, bis ich den Fuß auf die unterste Stufe gesetzt hatte.
    »Hat man Sie

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