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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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finden.«
    »Sie werden überhaupt nichts damit erreichen, dass Sie ihn umbringen.«
    Rhiner schluckte. Schloss die Augen. »Ich will ihn nicht umbringen. Ich will nie wieder jemanden umbringen. Das könnte ich nicht ertragen. Aber ich muss mit ihm sprechen. Die Waffe war bloß als Drohung gedacht, damit er redet. Er ist doch derjenige, der alles ausgelöst hat. Ich muss einfach wissen, warum er so gehandelt hat.« Ein Zucken an seiner Schläfe, eine Ader, die unter der Haut pulsierte. »Solange ich das nicht weiß, wird nichts mehr in Ordnung sein.«

    Das Büro von Polizeichef Owen McCaleb lag direkt über dem Pausenraum. McCaleb, ein drahtiger Mann von fünfundfünfzig Jahren, hockte auf seinem Schreibtisch. Er trug einen grauen Jogginganzug, und die Hacken seiner Laufschuhe trommelten gegen den Tisch, während Elizabeth und Shan Bericht erstatteten.
    »Gibt es eine rechtliche Grundlage dafür, ihn festzuhalten?«, fragte er, als sie fertig waren.
    »Er befand sich mit einer geladenen Pistole vor der Klinik«, sagt Shan.
    McCaleb wandte sich an Elizabeth. »Glauben Sie, dass er eine Bedrohung für Bell darstellt?«
    Elizabeth stand mit verschränkten Armen am Fenster. »Ich glaube, er sagt die Wahrheit. Es hat ihn fertiggemacht, Dawtrey zu erschießen. Er glaubt, dass es ihm hilft, wenn er mit dem Mann spricht. Bell interessiert ihn gar nicht.«
    »Was ist mit der Kugel vor Ihrem Hotelzimmer in Sault Sainte Marie?«, fragte McCaleb. »Glauben Sie, Rhiner hatte irgendwas damit zu tun?«
    Elizabeth schüttelte den Kopf. »Ich kann es mir nicht vorstellen.«
    »Also gut. Er soll sich heute ausschlafen, und morgen früh schicken wir ihn zurück. Ich werde Sheriff Delacorte anrufen und ihn bitten, ein Auge auf ihn zu haben.«
    »Was ist denn damit?«, sagte Shan und zeigte auf Rhiners Waffe, die auf dem Schreibtisch lag.
    »Hat er einen Waffenschein dafür?«, fragte McCaleb.
    »Hat er«, sagte Elizabeth. »Ich hab’s überprüft.«
    McCaleb trat hinter den Schreibtisch, schloss die mittlere Schublade auf und legte die Waffe hinein.
    »Wir geben sie ihm schon zurück. Aber es wird einfach ein bisschen dauern.«
    »Das ist nicht die einzige Waffe, die auf seinen Namen registriert ist«, sagte Elizabeth. »Er könnte in ein paar Tagen mit einer neuen aufkreuzen.«
    »Machen Sie ihm klar, dass wir ihn diesmal laufen lassen, aber dass wir ihn hier nicht wiedersehen wollen.« McCaleb schob die Schublade zu und schloss sie ab. »Wir haben andere Dinge, über die wir uns sorgen müssen«, sagte er. »Ich habe gerade vom Polizeichef in Ypsilanti gehört. Es sieht so aus, als wäre der Mann im karierten Hemd gut unterwegs. Jemand, auf den seine Beschreibung passt, hat dort eine Apotheke überfallen. Mit einem Jagdgewehr.«

18
    Harlan Spencers Atelier hatte für meinen Geschmack zu viele Fenster.
    Der Raum erstreckte sich über die ganze Breite des Hauses. Eine Wand bestand hauptsächlich aus Glas: sechs hohe Fenster dicht nebeneinander, mit Vorhängen aus dunkelrotem Leinen, die aufgezogen waren, um das Dämmerlicht hereinzulassen. Auch in der Wand gegenüber waren sechs Fenster eingelassen, allerdings nicht ganz so groß.
    Es war Sonntagabend. Ich trug mein bestes graues Jackett über einem weißen Hemd, aber keine Krawatte – ein Zugeständnis wegen des warmen Wetters. An meinem Revers trug ich einen Wahlkampfbutton mit dem Slogan: CALLIE SPENCER, EIN NEUANFANG.
    Elizabeth hatte mir von ihrem Besuch bei Harlan Spencer am Vortag erzählt. Ich entdeckte sofort das Porträt von Callie Spencer und all die anderen Gemälde, die an der Wand lehnten. Spencers Staffelei war weggeräumt worden, desgleichen der Tisch mit all den Farben und Pinseln. Stühle waren hereingebracht und in Dreier- und Vierergruppen aufgestellt worden. An einer Wand hatte man eine Bar aufgebaut.
    Es waren ungefähr dreißig Leute da – die Creme de la Creme von Ann Arbor. Der Bürgermeister mit seiner Frau und mindestens drei Jura-Professoren der Universität. Der Besitzer eines Fischrestaurants an der Main Street versuchte, mit einer Frau, die eine Galerie an der Liberty Street betrieb, ins Gespräch zu kommen. Sie aber ignorierte ihn, hatte ihren Blick auf Spencers Gemälde geheftet.
    Harlan Spencer selbst saß in seinem Rollstuhl in der Mitte des Raumes. Seine Frau hatte sich in einem ledernen Clubsessel links von ihm niedergelassen. Zu seiner Rechten saß ein Mann mit dichtem silbrigen Haar, einer langen Nase und tief liegenden Augen – Senator John

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