Bell ist der Nächste
heruntergeschickt, um mir nachzuspionieren?«, sagte er mit leiser, aber gebieterischer Stimme.
»Niemand hat mich geschickt«, erwiderte ich.
»Wenn mein Herr Sohn mich Mores lehren will, dann kann er verdammt noch mal selbst herunterkommen.«
Ich trat durch einen weinumrankten Bogen in den Pavillon.
»Ich mache bloß einen kleinen Spaziergang«, erklärte ich.
»Dann sind Sie ein vernünftiger Mann«, sagte der Senator. Er sah auf das Glas, das ich in der Hand hielt. »Was haben Sie da?«
»Mineralwasser.«
Voller Ekel verzog er die Mundwinkel. »Schütten Sie es weg. Das hier habe ich vom Partyservice bekommen.« Er trat zur Seite, und auf dem Geländer kam eine Flasche Jameson Whiskey zum Vorschein. »Trinken wir, bevor man uns die Flasche wegnimmt. Rauchen Sie?«
»Hab ich noch nie.«
»Auch gut«, sagte er und hielt eine Zigarre hoch, die er diskret an seiner Seite versteckt hatte. »Ich hab sowieso bloß eine. Ich habe schon vor dreißig Jahren mit Zigaretten aufgehört, aber die Lust auf guten Tabak habe ich nie verloren.«
Ich legte mein Jackett über das Geländer und schüttete das Mineralwasser auf den Rasen. Der Senator goss etwas aus der Flasche in mein Glas. Er holte ein Schnapsglas aus der Tasche und füllte es ebenfalls.
»Geld oder Kontakte?«, sagte er.
»Wie bitte?«
»Normalerweise wird man zu so einem Rummel eingeladen, weil man entweder Geld oder Kontakte hat. Was ist es bei Ihnen?«
»Geld nicht«, sagte ich. »Dann müssen es wohl Kontakte sein – zur Polizei von Ann Arbor.«
»Sie sind mit dieser Polizistin hier. Whaley.«
»Waishkey.«
»Um mit Callie über diesen Verrückten zu sprechen, der herumläuft und Leute umbringt. Und wie schlau ist das denn?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie verstanden habe.«
»Meine Schwiegertochter ist ziemlich gewieft«, sagte John Casterbridge. »Sie will nicht mit einer Mordermittlung in Verbindung gebracht werden, aber sie weiß, dass sie irgendwann mit der Polizei reden muss. Also macht sie es am Wochenende, halb inoffiziell. Und auch nicht in der City Hall, wo vielleicht ein paar Kameras auf sie warten könnten. Damit ist die Sache erledigt, und morgen ist der Fall für sie vergessen. Clever, oder nicht?«
»Klar.«
»Wahrscheinlich Becketts Idee. Aber Callie hat das gleich aufgegriffen – sie lernt sehr schnell. Sie wird sicher Karriere machen. Die Presse mag sie.« Er nippte an seinem Schnapsglas. »Sie mögen sie«, sagte er. »Ich habe gesehen, wie Sie mit ihr gesprochen haben.«
»Sie ist eine eindrucksvolle Frau.«
»Sie sollten vorsichtig sein. Sie ist vergeben.«
Er sagte das sanft, beinahe liebevoll, ohne jede Andeutung von Verärgerung. Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Seine Miene war undurchdringlich.
»Ich glaube, Sie haben da etwas missverstanden«, sagte ich.
»Es wäre bestimmt gut für sie, sich mal ein bisschen gehen zu lassen. Das sollten wir weiß Gott alle tun. Aber Sie müssen vorsichtig sein.«
»Ich glaube –«
Er hob sein Glas, um mich zum Schweigen zu bringen. Ich hörte Schritte.
»Hier kommt die Sittenpolizei«, sagte er.
Ich erkannte die Silhouette eines Mannes, der den Weg heraufkam. Alan Beckett, wie sich herausstellte.
Casterbridge legte seine Zigarre auf das Geländer zwischen uns. Ich stellte mich so, dass ich die Whiskeyflasche mit meinem Oberkörper verdeckte. Beckett kam die Stufen herauf. Als er den Pavillon erreicht hatte, schüttelte er müde den Kopf. »Senator, wir haben doch darüber gesprochen.«
Casterbridge trank einen Schluck Whiskey und schwieg.
Beckett griff ruhig nach dem Schnapsglas.
»Wer hat Ihnen das gegeben?«, fragte er.
»Langweilen Sie mich nicht, Al.«
»Wer?«
»Ich bin durchaus in der Lage, mir selbst einen Drink zu besorgen.«
Beckett sah mich an. Ich schwenkte den Whiskey in meinem Glas. Er versuchte nicht, es mir wegzunehmen. Stattdessen nickte er mir höflich zu.
»Mr Loogan, Sie werden sicher erfreut sein zu hören, dass wir den ganzen Block abgesucht haben. Hinter jeden Busch und jeden Baum haben wir geschaut. Niemand. Niemand mit einem Gewehr – oder sonst einer Waffe. Wir sind einem Versicherungsvertreter über den Weg gelaufen, der einen Schnauzer ausführte. Sein polizeiliches Führungszeugnis ist lupenrein. Er hat noch nicht mal irgendwann falsch geparkt. Kurz gesagt, alles ruhig. Nichts zu berichten.«
Ich hörte ihm ungerührt zu. Er wirkte enttäuscht und wandte sich wieder an John Casterbridge.
»Senator,
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