Bell ist der Nächste
jahrzehntealten Anzug gegen Jeans, ein grelles Hawaii- Hemd und ein formloses weißes Sakko ausgetauscht. Und er trug Tennisschuhe. Als er am Empfangstresen im Vorzimmer vorbeiging, drehte er sich überraschend elegant im Kreis und musterte den Raum.
»Erinnerungen«, sagte er. »Einmal, vor Jahren, hatte ich auch so ein Büro, Mr Loogan. Ob Sie wohl erraten können, was ich damals gemacht habe?«
»Ich werde nicht raten.«
»Nein? Auch gut. Ich habe für ein politisches Amt kandidiert. Überrascht Sie das?«
»Heute überrascht mich gar nichts mehr.« Ich deutete auf mein Büro. »Kommen Sie doch herein.«
Ich stand an der Tür und ließ ihn an mir vorbeigehen. Er trug ein Buch unter dem Arm und legte es achtlos auf den Schreibtisch, während er im Gästesessel Platz nahm. Das Buch war gebunden, aber der Schutzumschlag fehlte. Ich konnte den Titel nicht erkennen.
»Ich habe für einen Sitz im Stadtrat kandidiert. Ich habe meinen Wahlkampf von einem Büro aus geführt, das diesem hier ziemlich ähnlich war.«
»Haben Sie die Wahl gewonnen?«
Er lächelte nachsichtig. »Das ist immer das Einzige, was die Leute so wissen wollen. Nicht, welche Ziele ich erreichen oder welche Probleme ich anpacken wollte.« Er zuckte mit den Schultern. »Nein, ich habe nicht gewonnen, Mr Loogan.«
Ich setzte mich. »Welche Probleme wollten Sie denn anpacken?«
»Ich hatte bloß eins auf meiner Agenda. Ich wollte die Baugesetze ändern.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Das hört sich nicht sehr idealistisch an, oder? Aber ich sage Ihnen, es macht enorm viel aus. Wenn Sie den richtigen Bebauungsplan haben, dann siedeln sich auch Unternehmen an. Damit ziehen Sie intelligente, gut ausgebildete Menschen an. Sie nehmen mehr Steuern ein. Damit können Sie die Polizei, die Feuerwehr, Schulen und Parks finanzieren – alles, was gut ausgebildete Menschen brauchen, um ihre Kinder großzuziehen. Wenn Sie schlechte Baugesetze haben, geht alles den Bach runter. Dann gehen all diese gut ausgebildeten Leute woandershin.«
»Warum, glauben Sie, haben Sie dann verloren?«
»Mein Gegner war ein sehr kontaktfreudiger und gut aussehender Mensch. In Fernsehspots trat er stets mit aufgekrempelten Ärmeln auf, stand mit einfachen Leuten auf der Straße zusammen, war im Gespräch. Natürlich hörte man nie, was er sagte, man hörte nur die Musik und eine Stimme aus dem Off.«
Beckett atmete deutlich hörbar aus. »Er ist immer noch im Stadtrat«, fuhr er fort. »Ich dagegen bin in die Beratung gegangen. Ich hoffe, dass ich noch weitere Senatoren beraten kann.« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung der Flasche Macallan auf meinem Schreibtisch. »Ich sehe, Sie haben mein Geschenk bekommen.«
»Ich habe es bekommen«, sagte ich vorsichtig. »Ich weiß bloß nicht, was der Anlass dafür ist.«
»Nennen Sie es ein Friedensangebot. Sie und ich, wir haben uns auf dem falschen Fuß erwischt.« Er rieb sich mit dem Daumen über das Kinn. »Es war mein Fehler. Ich empfinde eine gewisse Verantwortung für den Senator. Ich muss darauf achten, wer sich ihm nähert und mit welchen Absichten.«
»Ich habe zweimal mit ihm gesprochen«, sagte ich. »Ich mag ihn. Ich habe keinerlei Absichten.«
»Er mag Sie auch. Das ist vielleicht der Grund, warum ich unfreundlich zu Ihnen war. Das gebe ich frank und frei zu. Ich habe Jahre gebraucht, um sein Vertrauen zu gewinnen, Sie dagegen hat er gleich von Anfang an gemocht. Ich war ein wenig neidisch.«
Er klang kleinlaut, fast demütig, was eine entwaffnende Wirkung hatte.
»Wie geht es dem Senator?«, fragte ich.
»Gut. Was Sie neulich Abend gesehen haben – nun ja, er hat auch seine schlechten Tage.« Mit einer Geste wechselte Beckett das Thema. »Der Senator ist nicht der Grund, warum ich hergekommen bin.«
»Sondern?«
»Ich dachte, Sie wären vielleicht bereit, mir einen Gefallen zu tun.«
Ich musste unwillkürlich lächeln. »Ach?«
»Sprechen Sie mit Lucy Navarro«, sagte er. »Bringen Sie sie bitte dazu, mit diesem ganzen Unsinn über Terry Dawtrey und Henry Kormoran aufzuhören – diese lächerliche Behauptung, dass Callie Floyd Lambeau geholfen hat, die Great Lakes Bank klarzumachen.«
»Und warum sollte ich das tun?«
»Halten Sie diese Behauptung für wahr, Mr Loogan?«
»Nein.«
»Glauben Sie, es nützt irgendetwas, wenn Politiker in der Presse haltlosen Vorwürfen ausgesetzt werden?«
»Wenn der Vorwurf haltlos ist, dann löst sich das Problem doch von allein, oder? Wie Sie schon sagten,
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