Bell ist der Nächste
Wahrheit, dass die Abweichung keine Rolle spielte. »Und dafür«, sagte er, »schultern Sie das ganze Projekt allein.«
»So ausgedrückt, klingt das wirklich unverschämt«, gab ich zu und schwieg einen Moment lang. »Ich will Sie mal was fragen. Lucy Navarro hat keine Zeitschrift, die Geld braucht. Was haben Sie ihr denn angeboten?«
»Ich habe ihr nichts angeboten«, sagte er. »Genauso wenig wie Ihnen.«
»Natürlich. Das ist alles Amelia Copelands eigene Idee. Sie schwingt ihren Zauberstab, und mein Kürbis verwandelt sich in eine Kutsche, meine Mäuse verwandeln sich in Pferde.« Ich starrte ihn an. »Wie lange, glauben Sie eigentlich, können Sie diesen Skandal um Callie Spencer noch deckeln?«
»Es gibt keinen Skandal um Callie Spencer«, sagte Beckett.
»Sie beschließt, für den Senat zu kandidieren, und plötzlich sterben die Bankräuber des Great-Lakes-Überfalls – einschließlich des Mannes, der auf ihren Vater geschossen hat – einer nach dem anderen. Wenn das kein Skandal ist, dann kommt es einem solchen aber ziemlich nahe.«
»Nichts davon hat irgendetwas mit Callie zu tun.«
»Nein, wie könnte es auch?«, sagte ich. »Callie ist perfekt. Die Menschen mögen sie. Die Presse mag sie. Sie ist bereit, nicht allzu viele Fragen zu stellen. Aber da draußen läuft immer noch ein Killer herum. Er ist hinter Sutton Bell her. Er hat es einmal versucht und ist gescheitert. Was ist, wenn er beim nächsten Mal Erfolg hat? Wird dann immer noch jeder sagen: ›Also, das kann überhaupt nichts mit Callie Spencer zu tun haben.‹?« Ich musterte ihn scharf, aber Beckett schien völlig entspannt zu sein. »Und dann ist da noch der fünfte Bankräuber, der Fahrer. Der ist wie ein Joker, oder? Ich frage mich, wann er auftauchen wird. Sie nicht?«
Das trug mir einen verwirrten Blick ein. »Dem Fahrer ist es immerhin gelungen, siebzehn Jahre lang unentdeckt zu bleiben«, sagte Beckett. »Warum sollte er sich jetzt plötzlich zu erkennen geben? Ich glaube nicht, dass man sich darüber Gedanken machen muss.«
»Ich glaube, Sie machen sich Gedanken über ihn. Sonst wären Sie doch nicht in mein Büro eingebrochen.«
Beckett runzelte die Stirn. »Sie haben mich in Ihr Büro gebeten«, sagte er.
»Ich rede über das letzte Mal.«
»Ich bin heute das erste Mal hier.«
»Sie waren am Wochenende hier«, sagte ich. »Jemand hat ein Stück Scheibe aus der Tür geschnitten.« Ich hielt inne. »Der Senator hat mir neulich Abend zwei Dinge über Sie erzählt. Er sagte, Sie kämen aus Battle Creek und Ihr Vater sei Handwerker gewesen. Ich bin ein besonders misstrauischer Mensch, also habe ich ›Battle Creek‹ und Ihren Nachnamen gegoogelt. Eines der Resultate war Glaserei Beckett . Ihr Vater war Glaser.«
»Das stimmt«, sagte er mit einem Schulterzucken, »und ich kann verstehen, dass das Ihr Misstrauen weckt. Aber warum sollte ich in Ihr Büro einbrechen?«
»Weil alle Menschen von Natur aus nach Wissen streben.«
»Wie bitte?«
»Ein Zitat von Aristoteles. Sie sind eingebrochen, weil es etwas gab, das Sie wissen wollten. Es geht alles auf den vergangenen Mittwoch zurück.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte er.
»Letzten Mittwoch hat jemand versucht, Sutton Bell zu töten«, sagte ich. »Davor aber hat er vor meiner Bürotür ein Manuskript hinterlassen. Es enthielt die Beschreibung seiner Verbrechen – wie er Charlie Dawtry erschlagen und versucht hat, Terry Dawtrey zu erschießen, und wie er schließlich Henry Kormoran erwürgt hat.«
»Ist das vielleicht das Manuskript, das Detective Waishkey am Sonntagabend dabeihatte?«
»Genau.«
»Aber am Sonntagabend habe ich zum ersten Mal davon gehört.«
»Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Elizabeth hat letzten Donnerstag Walter Delacorte in Sault Sainte Marie eine Kopie gefaxt. Delacorte hat das Manuskript dann an Harlan Spencer geschickt, seinen alten Boss von vor siebzehn Jahren. Spencer hat Callie davon erzählt und Callie Ihnen.«
»Das sind aber eine Menge Unterstellungen.«
»Letztlich nur eine einzige, nämlich dass Sie alle miteinander reden. Elizabeth wollte, dass Delacorte das Manuskript ernst nahm, also musste sie ihm erzählen, woher es kam, und diese Information hat er sicher weitergegeben. Sie wussten also, dass es vor meine Tür gelegt worden war. Aber Sie wussten nicht, warum. Wenn der Täter gewollt hätte, dass es in die Hände der Polizei gelangte, hätte er es ihr auch direkt zuschicken können. Wenn er die Öffentlichkeit gesucht
Weitere Kostenlose Bücher