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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Bild. Sie würde das hier nicht bewerkstelligen können, wenn sie sich immer wieder an Julia Matthews' Stelle versetzte.
    «Sara?», fragte Jeffrey.
    Sara blickte auf. Überrascht stellte sie fest, dass sie die Autopsie unterbrochen hatte. Sie stand vor der Leiche, die Arme vor der Brust gekreuzt. Jeffrey wartete geduldig und verzichtete auf die nahe liegende Frage.
    Sara nahm das Skalpell zur Hand, machte sich wieder an die Arbeit und diktierte. «Die Leiche wurde mit dem üblichen Y-Schnitt geöffnet. Die Organe im Thoraxraum und im Abdomen befinden sich in der normalen anatomischen Position.»
    Jeffrey fing wieder zu reden an, kaum dass sie aufgehört hatte. Erfreulicherweise wählte er diesmal ein anderes Thema.
    Er sagte: «Ich weiß nicht, was ich mit Lena machen soll.»
    «Was meinst du?», fragte Sara, die froh war, seine Stimme zu hören.
    «Sie wird nicht besonders gut damit fertig», sagte er. «Ich hab ihr gesagt, sie soll sich ein paar Tage freinehmen.»
    «Und meinst du, das tut sie?»
    «Könnte durchaus sein.»
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    Sara nahm die Schere und schnitt mit flinken Bewegungen den Herzbeutel auf. «Und wo liegt dann das Problem?»
    «Es steht mit ihr auf der Kippe. Das spüre ich. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.» Er deutete auf Julia Matthews.
    «Ich möchte nämlich nicht, dass sie auch so endet.»
    Sara betrachtete ihn forschend über den Rand ihrer Brille. Sie wusste nicht, ob er es mit billiger Amateurpsychologie versuchte und seine Besorgnis um Sara hinter vorgegebener Besorgnis um Lena verbarg oder ob er tatsächlich um einen Rat bat, wie er mit Lena umgehen sollte.
    Sie gab ihm eine Antwort, die zu beiden Alternativen passte.
    «Lena Adams?» Sie schüttelte verneinend den Kopf, sich dieser einen Sache ganz sicher. «Sie ist eine Kämpferin. Menschen wie Lena bringen sich nicht um. Sie töten andere, aber niemals sich selbst.»
    «Ich weiß», antwortete Jeffrey. Dann schwieg er, als Sara den Magen abklammerte und entfernte.
    «Das wird jetzt unangenehm», warnte sie vor und legte den Magen in eine Schale aus rostfreiem Stahl. Jeffrey hatte schon viele Autopsien miterlebt, und nichts verströmte einen so beißenden Geruch wie der Verdauungstrakt.
    «He.» Überrascht davon, was sie sah, hielt Sara inne. «Sieh dir das hier an.»
    «Was ist das denn?»
    Sie rückte etwas zur Seite, damit er den Mageninhalt sehen konnte. Der war schwarz und flüssig. Daher benutzte sie ein Sieb, um den Inhalt herauszufiltern.
    «Was ist das?», wiederholte er.
    «Ich weiß nicht. Vielleicht irgendwelche Samen», sagte sie zu ihm und nahm einen von ihnen mit der Pinzette heraus. «Ich denke, wir sollten Mark Webster anrufen.»
    «Hier», sagte er und hielt ihr einen Beutel für Beweismittel
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    hin. Sie ließ den Samen in den Beutel fallen. «Meinst du, er will erwischt werden?»
    «Sie wollen doch alle erwischt werden, oder?», entgegnete er.
    «Bedenke doch, beide zur Schau gestellt. Beide an halbwegs öffentlichen Orten. Er weidet sich an dem Risiko.»
    «Ja», stimmte sie zu und zwang sich, nicht mehr zu sagen. Sie wollte nicht in die grässlichen Details der Fälle gehen. Sie wollte nur ihre Arbeit tun und dann von dort, aus Jeffreys Gegenwart, verschwinden.
    Jeffrey hingegen schien das Gegenteil vorzuhaben. Er fragte:
    «Die Samen haben eine starke Wirkung, stimmt's?»
    Sara nickte.
    «Glaubst du also, er hat dafür gesorgt, dass sie nicht bei sich war, während er sie vergewaltigte?»
    «Ich habe nicht die geringste Ahnung», antwortete sie wahrheitsgemäß.
    Er hielt inne, als wüsste er nicht, wie er den nächsten Satz formulieren sollte.
    «Was ist?», forderte sie ihn auf.
    «Lena», sagte er. «Ich meine, Julia hat Lena gesagt, dass es ihr gefallen hat.»
    Sara merkte, dass sie unwillkürlich die Stirn runzelte. «Was?»
    «Nicht dass es ihr wirklich gefiel, aber dass er Liebe mit ihr gemacht hat.»
    «Er hat ihr die Zähne ausgeschlagen und ihr das Rektum aufgerissen. Wie konnte sie das als Liebemachen bezeichnen?»
    Er zuckte die Achseln, als sei er ebenso um eine Antwort verlegen, aber sagte dann: «Vielleicht hat er sie derart unter Drogen gesetzt, dass sie nichts gespürt hat. Vielleicht wüsste sie gar nicht, wie ihr geschah, bis danach.»
    Sara überlegte. «Wäre möglich», sagte sie. Ihr war unwohl bei
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    dem Gedanken.
    «Jedenfalls hat sie das gesagt», antwortete er.
    Bis auf das abebbende Geräusch der Kühlanlage war es still im Raum. Sara machte sich wieder an die

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