Belladonna
möchtest.»
«Nein danke», antwortete sie und reichte ihm den Nagel. Sie musste dringend in ihr Haus zurück, um Frank Wallace wegen dieser Sache anzurufen. Jeffrey befand sich wahrscheinlich noch in Atlanta, aber jemand musste herausbekommen, wer in letzter
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Zeit diese Sorte Nägel gekauft hatte. Das war doch eine gute Spur.
Sie fragte: «Hast du die im Haushaltswarengeschäft gekauft?»
«Ja», sagte er und sah sie neugie rig an. «Wieso?»
Sara lächelte und gab sich alle Mühe, ihn zu besänftigen.
Wahrscheinlich hielt er es für eigentümlich, dass sie so interessiert an Nägeln für die Dachrinnenhalterung war. Und sie konnte ihm ja auch nicht einfach sagen, warum es so war. Saras Verehrerreservoir war schon klein genug, sodass sie nicht auch noch Jeb McGuire vor den Kopf stoßen musste, indem sie andeutete, dass seine Dachrinnennägel hervorragend dazu geeignet wären, eine Frau auf den Fußboden zu nageln, wenn man sie vergewaltigen will.
Sie sah ihm dabei zu, wie er die herabhängende Dachrinne am Haus befestigte. Sara erwischte sich dabei, dass sie sich Jeffrey und Jack Wright zusammen in einem Raum vorstellte. Moon hatte gesagt, dass Wright sich im Gefängnis habe gehen lassen und dass sein wie gemeißelt wirkender bedrohlicher Körper in schwabbeliges Fett übergegangen war, aber Sara sah ihn noch immer vor sich wie an jenem Tag vor zwölf Jahren. Die Haut straffte sich über seinen Knochen, und die Venen traten entlang seiner Arme überdeutlich hervor. Holzschnittartig war sein Gesicht eine Studie des Hasses, und seine Zähne mahlten, sodass sein Grinsen zur grässlichen Bedrohung wurde, als er sie vergewaltigte.
Unwillkürlich erschauerte Sara. Sie hatte die vergangenen zwölf Jahre ihres Lebens damit verbracht, die Erinnerung an Wright aus ihrem Kopf zu verbannen, und dass er jetzt wieder gegenwärtig war, sei es durch Jeffrey oder durch eine dämliche Postkarte, weckte in ihr von neuem das Gefühl, missbraucht zu werden. Dafür hasste sie Jeffrey, hauptsächlich aber deswegen, weil er der Einzige war, der unter ihrem Hass wirklich litt.
«Hör mal», sagte Jeb und riss sie dadurch aus ihren
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Gedanken. Er legte die Hand ans Ohr und lauschte. Das dumpf pochende Geräusch war noch immer da, denn Wasser tropfte ins Fallrohr.
«Das macht mich noch verrückt», sagte er beim Dompf, Dompf, Dompf des Wassers.
«Das kann ich gut verstehen», sagte sie. Schon nach fünf Minuten des Geräusches tat ihr der Kopf weh.
Jeb kam von der Leiter herunter und befestigte den Hammer an seinem Gürtel. «Ist was?»
«Nein», antwortete sie, «ich war nur in Gedanken.»
«Und woran?»
Sie holte tief Luft und sagte dann: «Unsere verschobene Verabredung.» Sie sah in den Himmel hinauf. «Warum kommst du nicht gegen zwei zu einem späten Lunch bei mir zu Hause vorbei? Ich besorg uns was aus dem Feinkostladen in Madison.»
Er lächelte, aber in seiner Stimme klang unerwartete Nervosität mit. «Ja», antwortete er. «Das hört sich toll an.»
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SECHSUNDZWANZIG
Jeffrey versuchte sich aufs Fahren zu konzent rieren, aber dazu ging ihm zu viel durch den Kopf. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, und langsam bemächtigte sich Erschöpfung seines Körpers. Sogar nachdem er an den Straßenrand gefahren war und ein halbstündiges Nickerchen gemacht hatte, fühlte er sich noch nicht klar im Kopf. Es geschah einfach zu viel. Zu viele Dinge zerrten ihn gleichzeitig in verschiedene Richtungen.
Mary Ann Moon hatte versprochen, sich unter Strafandrohung die Personalakten des Grady Hospital aus der Zeit, als Sara dort gearbeitet hatte, aushändigen zu lassen. Jeffrey konnte nur beten, dass die Frau auch ihr Wort hielt. Sie hatte vermutet, dass die Akten Jeffrey irgendwann am Sonntagnachmittag zur Einsicht vorliegen würden. Jeffreys einzige Hoffnung bestand darin, dass ein Name aus dem Krankenhaus vertraut klingen würde. Sara hatte nie jemanden aus Grant erwähnt, der in jenen Tagen mit ihr zusammengearbeitet hatte, aber er musste sie trotzdem fragen. Drei Anrufe bei ihr zu Hause hatten ihn nur mit dem Anrufbeantworter verbunden.
Ihr eine Nachricht zu hinterlassen, ihn zurückzurufen, erschien ihm sinnlos. Ihr Ton in der vergangenen Nacht hatte gereicht, ihn davon zu überzeugen, dass sie wahrscheinlich nie wieder mit ihm sprechen würde.
Jeffrey lenkte den Town Car auf den Parkplatz der Wache.
Eigentlich hätte er dringend nach Hause gemusst, um zu duschen und sich umzuziehen, aber er
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