Belladonna
nur noch denken, dass jetzt alles ganz anders war. Niemals mehr würde er die Leute in der Stadt, die Leute, die seine Freunde und Nachbarn waren, mit demselben Vertrauen betrachten, das er am vergangenen Sonntag um diese Zeit noch besessen hatte. Er stand unter Schock, wie bei einer Schützengrabenpsychose.
Als er in Saras Auffahrt einbog, merkte Jeffrey, dass ihm sogar ihr Haus anders vorkam. Hier hatte Sara sich gegen Jeb wehren müssen. Hier war Jeb ertrunken. Sie hatten seine Le iche aus dem See gezogen, aber die Erinnerung an ihn würde nie verschwunden sein.
Jeffrey saß im Wagen und betrachtete das Haus. Sara hatte ihm gesagt, dass sie Zeit brauchte, aber die würde er ihr nicht geben. Er musste ihr erklären, was ihm durch den Kopf gegangen war. Er musste sich selbst genauso wie ihr klar machen, dass es für ihn absolut nicht in Frage kam, sich aus ihrem Leben fern zu halten.
Die Vordertür stand offen, aber trotzdem klopfte Jeffrey an, bevor er hineinging. Er konnte Paul Simon ‹Have a Good Time›
singen hören. Im Haus stand alles auf dem Kopf. Kartons säumten den Flur, und von den Regalen waren die Bücher geräumt. Er fand Sara in der Küche, mit einer Rohrzange in der Hand. Sie trug ein ärmelloses weißes T-Shirt und eine zerschlissene graue Trainingshose, und er fand, dass sie noch nie schöner ausgesehen hatte. Sie blickte in den Abfluss, als er an den Türknauf klopfte.
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Sie drehte sich um und wirkte gar nicht überrascht, dass er vor ihr stand. «Ist das deine Art, mir Zeit zu geben?», fragte sie.
Er zuckte die Achseln, vergrub die Hände in den
Hosentaschen. Ein grellgrünes Pflaster bedeckte den Schnitt auf ihrer Stirn, und wo die Glasscherbe ihren Oberarm so tief aufgeschnitten hatte, dass sie hatte genäht werden müssen, trug sie einen weißen Verband. Wie es ihr gelungen war, zu überleben, was sie getan hatte, erschien Jeffrey wie ein Wunder.
Ihr Mut und ihre Energie erstaunten ihn.
Der nächste Song von Paul Simon war ‹Fifty Ways to Leave Your Lover›. Jeffrey versuchte es mit einem Scherz und sagte:
«Ist wohl unser Song.»
Sara warf ihm einen argwöhnischen Blick zu und griff dann nach der Fernbedienung. Abrupt hörte die Musik auf, und statt des Songs erfüllte Stille das Haus. Sie schienen beide ein paar Sekunden zu brauchen, um sich auf die Veränderung
einzustellen. Sie sagte: «Was tust denn du hier?»
Jeffrey dachte, er sollte vielleicht etwas Romantisches sagen, etwas, das sie dahinschmelzen ließ. Er wollte ihr sagen, dass sie die schönste Frau war, die er je gesehen hatte, und dass er erst verstanden hatte, was Liebe eigentlich bedeutete, als er sie kennen gelernt hatte. Da er aber nichts von alledem herausbrachte, entschied er sich, sie zu informieren.
«Ich habe die Protokolle von deinem Prozess, von Wrights Prozess, bei Jeb im Haus gefunden.»
Sie schlug die Arme übereinander. «Tatsächlich?»
«Er hatte auch Zeitungsausschnitte und Fotos. Solche Sachen.» Er hielt inne und äußerte dann seine Vermutung: «Ich nehme an, Jeb ist hergezogen, um in deiner Nähe zu sein.»
Sie reagierte darauf mit einem leicht herablassenden «Nimmst du also an?».
Er ließ sich von ihrem Tonfall nicht warnen. «Da gibt es noch
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ein paar weitere Überfälle auf Frauen in Pike County», fuhr Jeffrey fort. Er konnte sich nicht zügeln, obwohl er doch an ihrem Gesichtsausdruck erkannte, dass er verdammt nochmal die Klappe halten sollte, dass sie von diesen Dingen nichts wissen wollte. Das Problem war nur, dass es Jeffrey viel leichter fiel, Sara mit Tatsachen zu kommen, als ihr etwas von sich zu erzählen.
Er redete weiter: «Der Sheriff da drüben hat vier Fälle, die er meint Jeb anlasten zu können. Wir brauchen also ein paar Proben für das Labor, damit sie die mit den DNS-Proben vergleichen können, die sie an den Tatorten genommen haben.
Und außerdem noch das, was wir von Julia Matthews haben.»
Er räusperte sich. «Seine Leiche ist drüben im
Leichenschauhaus.»
«Ich mach das nicht», antwortete Sara.
«Wir können jemanden aus Augusta holen.»
«Nein», stellte Sara klar. «Du verstehst nicht. Ich reiche morgen meine Kündigung ein.»
Etwas anderes als ‹Warum das denn?› fiel ihm nicht ein.
«Weil ich das hier nicht mehr ausha lten kann», sagte sie und deutete auf den Abstand zwischen ihnen beiden. «Ich kann einfach nicht mehr. Und deswegen sind wir auch geschieden.»
«Wir sind geschieden, weil ich einen dummen Fehler gemacht
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