Belladonna
nicht treffen. Zumindest nicht im Augenblick. Vielleicht niemals. Lee könnte tausend Brücken bauen, um Lighthaven mit der Weißen Insel zu verbinden, und sie alle würden fehlschlagen.«
»Aber …« Er sank auf die Knie. »Weiß Caitlin das?«
Sie ging vor ihm in die Hocke. »Nein. Und es gibt keinen Grund, es ihr zu erzählen. Noch nicht.«
»Sie ist kein Kind mehr«, sagte Michael, eine gereizte Schärfe in der Stimme. »Glaubst du nicht, sie sollte wissen, was sie getan hat?«
»Noch nicht.« Sie berührte seine Wange. Sofort streckte er seine Hand aus, um ihre Handfläche an sein Gesicht zu drücken, hielt sich an der Berührung fest. »Man hat ihr so lange erzählt, wo sie nicht hingehört. Lass uns den Ort finden, an den sie gehört. Ich habe es gestern gesagt, und ich sage es heute wieder. Niemand an diesem Tor war unschuldig, und niemand trägt mehr Schuld an dem, was mit der Weißen Insel geschehen ist, als die anderen.«
»Ich habe das hier begonnen«, sagte er, seine Stimme rau vom Widerstreit der Gefühle. »Ich habe es begonnen, als ich vor sechzehn Jahren einen Brief schrieb.«
Wer hätte gedacht, der Mann würde auch nur daran denken, in seiner Schuld aufzugehen, geschweige denn, dass er es wirklich tat? »Gelegenheit und Entscheidung, Magier. Du hast einen Brief geschrieben; Brighid hat sich dazu entschlossen, ihn zu beantworten. Und sie hat die Entscheidung getroffen, dass ihr drei in Ravens Hill leben solltet. Sie hätte euch hier auf die Weiße Insel bringen und eine Familie suchen können, die bereit gewesen wäre, euch beide aufzuziehen, wenn es euch nicht möglich gewesen wäre, mit ihr in Lighthaven zu leben.«
Er stieß ein scharfes, bitteres Lachen aus. »Die Dämonenbrut? Unsere neue ›Familie‹ hätte uns ins Meer geworfen, sobald Brighid nicht mehr in Sichtweite gewesen wäre.«
Dass er diese Worte glaubte, ließ ihr Herz schwer werden. Doch sie küsste ihn sanft und stand auf. »Als Kind hast du das geglaubt«, sagte sie knapp. »Als Mann ist es an der Zeit, diesen Glauben zu überdenken. Lass uns gehen.«
Sie wollte weiter zu den von einer Steinmauer eingeschlossen Gebäuden reiten. Wie die von Mauern umgebenen Gärten der Landschafferinnen. Etwas, worüber man nachdenken sollte, denn kein anderer Ort des Lichts hatte sich so deutlich abgeschottet. Doch der See zog sie an, und eine Körperlänge vom Ufer entfernt blieb sie stehen und betrachtete das schwarze Wasser.
Brighid war einst der Anker Lighthavens gewesen. Während das Herz der Wahrerin die einfache Lebensweise bewahrt hatte, die zu einem Ort des Lichts passte, vermutete Glorianna, das Auf und Ab der Gefühle innerhalb der Gemeinschaft der Schwestern war natürlicher gewesen. Zum einen hatte es Kinder geben müssen, um die Blutlinien zu erhalten. Und daher hatte es, zumindest zwischenzeitlich, Liebhaber geben müssen.
Jetzt war Merrill der Anker. Und Merrill, so ängstlich gegenüber den Gefühlen, die den Herzen der Menschen innewohnten, hatte es geschafft, die Dunklen Strömungen so tiefgehend zu verleugnen, dass Ephemera eine Dunkle Landschaft geformt hatte, um ein Ventil zu schaffen und das Gleichgewicht wieder herzustellen.
Der Hauch eines Gedankens regte sich in ihr. Da war etwas. Etwas, dessen man sich erinnern sollte.
Dann war der Moment vorüber, und es war an der Zeit, sich dem nächsten Schritt der Reise zu stellen - und all den besorgten Herzen, die in dieser Landschaft die Strömungen aufwühlten.
Merrill trug ein Tablett in den Raum und stellte es auf den Tisch, bevor sie die Frau ansah, die am Fenster stand und in die Gärten blickte, die sie beide vor so vielen Jahren anzulegen geholfen hatten.
»Sieht es so aus wie in deiner Erinnerung?«, fragte Merrill.
»Ja«, antwortete Brighid leise, traurig. »Es hat sich nichts verändert.«
»Ich habe alles so gelassen, wie es war. Shaela wollte ein paar Dinge ändern, doch ich war das Oberhaupt, und ich habe alles so belassen.« Für dich.
»Warum hast du keine Veränderung zugelassen?«, fragte Brighid und wandte sich vom Fenster ab, die getrockneten Spuren der Tränen auf ihrem Gesicht noch immer sichtbar. »Die Lieder, die das Auf- und Abklingen des Tages kennzeichnen, sollen gleich bleiben, weil sie Tradition sind. Sie geben dem Herzen Halt und uns den Trost, zu wissen, dass seit den Tagen unserer Vorfahren, die heute nur noch Mythos sind, dieselben Worte durch die Luft schweben und das Land durchtränken. Doch das Lebendige sollte sich
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