Belladonna
für ein paar Tage nach Ravens Hill zurückgekehrt war. Es war sein Zuhause gewesen, weil seine Familie dort gelebt hatte. Jetzt war das Haus fort, und das Gefühl, irgendwo hinzugehören, auch.
Sieh es ein, Kumpel, wenn es ein Haus gäbe, mit einem Haken an der Wand für deinen, und nur für deinen, Mantel, und wenn es in diesem Haus eine Frau gäbe, die mit dir lachen und mit dir streiten könnte, und die dich auch dann noch lieben würde, wenn sie deinen Kopf gegen eine Wand schlagen möchte … Wenn du diese Dinge hättest, selbst wenn sie an einem Ort wären, fern von allem, was du gekannt hast, würdest du dich dann gegen die Vorstellung wehren, dass Caitlin sich so weit entfernt von den Orten niederlässt, die du kennst? Du hast Angst, loszulassen, weil Glorianna dir keinen Platz in ihrem Leben, geschweige denn einen Platz in ihrem Haus oder dem Teil der Welt, den sie Heimat nennt, angeboten hat. Du hast Angst, denn wenn du Glorianna verlierst, wird niemand mehr übrig sein.
Lee trat neben ihn an die Reling, aber er sagte nichts.
Michael seufzte. »Woher nimmt man den Mut, loszulassen?«
Lee zuckte mit den Schultern. »Diese Frage stellen sich Eltern schon seit Anbeginn der Zeit. Die meisten von ihnen finden einen Weg.«
»Es ist nur … wenn sie bleibt, ist Caitlin so weit weg.«
Lee warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. »Du verstehst noch immer nicht, oder, Magier? Alles, was ihr braucht, ist ein Stück gemeinsamer Boden. Wenn ihr diese Landschaft habt, wird sie nur so weit weg sein, wie sie es möchte.«
Michael schnitt eine Grimasse. »Klar, ich weiß, du baust Brücken, aber Caitlin ist noch nie aus Ravens Hill herausgekommen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dorthin zurückkehren will.«
»Sie war in Aurora«, entgegnete Lee. Dann schenkte er Michael ein böses Lächeln. »Und sie war im Sündenpfuhl.«
Er sprang in die Höhe, als hätte ihm jemand eine Stahlstange ins Hinterteil gerammt. »Oh, nein. Tu mir das nicht an. Du hast auch eine Schwester -«
»Und einen Cousin, der Rechtsbringer des Pfuhls ist.«
»Sebastian zu erwähnen, ist nicht besonders tröstlich.« Und an Caitlin zu denken, deren Lippen mit Teasers verschmolzen, war es noch viel weniger. »Sie ist erst achtzehn und noch unschuldig. Und Teaser ist keines von beidem und noch dazu eine wandelnde Versuchung.« Vielleicht würde es, wenn er es nur oft genug sagte, außer auf ihn noch auf jemand anders Eindruck machen.
Lees bösartiges Grinsen wurde breiter. »Also die Geschichte, die du mir über dein erstes Mal erzählt hast. Was war es, Prahlerei oder Lüge?«
»Scher dich zum Teufel.« Doch schon als er es aussprach, fiel ihm ein, dass er noch nie einen Freund gehabt hatte, der so gut sticheln konnte. Selbst Nathan hätte sich nicht so über ihn lustig gemacht.
»Ich sag dir mal was«, sagte Lee und schlug Michael eine Hand auf die Schulter. »Zeig du nicht so viel Interesse an Caitlins Liebesleben - und ich zeige nicht so viel Interesse an Gloriannas.«
»Das ist etwas anderes.«
»Das sagst du.«
»Ist es.«
»Wir legen an«, rief Kenneday. »Falls es einen von euch interessiert.«
»Es könnte schlimmer sein«, sagte Lee und trat einen Schritt zurück. »Sebastian könnte anfangen, sich für Gloriannas Liebesleben zu interessieren.«
»Herrin des Lichts, hab Erbarmen«, murmelte Michael und zuckte zusammen bei der Erinnerung, dass der Inkubus bereits ein wenig zu viel Interesse an den Beziehungen seiner Cousine gezeigt hatte. Und ich habe sie noch nicht einmal bis ins Bett rumgekriegt.
Lee ging lachend davon, der dreckige Mistkerl. Dann tauchte Brighid auf dem Deck auf, blass, aber entschlossen.
Lass sie gehen, dachte er, als er loslief, um Brighid abzufangen und ein paar Worte mit ihr zu sprechen, um Gloriannas Botschaft zu überbringen. Hab den Mut, sie beide ihr eigenes Leben weiterführen zu lassen.
Ihre Blicke trafen sich, und er erkannte, sie hatte diesem Augenblick bereits vor zwölf Jahren ins Gesicht gesehen - als sie ihn losgelassen hatte.
Er bot ihr ein Lächeln und seinen Arm an. »Sollen wir hinausgehen und die Welt begrüßen?«
Sie hakte sich bei ihm ein. »Ja, ich glaube, das sollten wir tun.«
Kannst du es fühlen, Caitlin?
Das hatte Glorianna gefragt. Doch sie konnte es nicht fühlen. War sich gar nichts mehr sicher. Sie hatte der Weißen Insel oder Lighthaven keinen Schaden zufügen wollen, hatte nicht gewollt, dass die Welt zerbrach. Es fühlte sich zu sehr so an, wie
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