Belladonna
oder überhaupt jemandem - in einer Gasse trifft.«
»Hättest du sie nach Hause begleiten sollen? Bist du zu spät gekommen?«
»Nein. Sie war bei ihrer Freundin Kaelie. Hat sie besucht, um über den ganzen Hochzeitskram zu sprechen. Unsere Hochzeit. Ich bin mit ein paar Jungs ins Wirtshaus gegangen. Nur um ein Glas oder zwei zu trinken und ein bisschen Dart zu spielen. Sonst nichts.«
Michael trat heran und nahm das Pferd am Zaum, da Torry die Leinen aus den Händen geglitten waren.
»Das tut mir sehr leid, Torry«, sagte Michael. »Und es tut mir leid für Erinn. Wirklich. Aber Glorianna hat Recht. Eine böse Kreatur hat dein Mädchen und den Laternenanzünder und die zwei Jungen umgebracht. Und sie hat versucht, dich zu zerbrechen, indem es dir zu deiner Trauer auch noch die Schuld daran auf die Schultern lud.«
Argwohn füllte Torrys Blick. Er nahm die Fahrleinen auf. »Niemand hat gesagt, dass diese zwei Jungen tot seien. Aber sie sind mit jemandem fortgegangen. Einem bekannten Fremden.«
»Das Gleiche - und noch mehr - habe ich das letzte Mal gehört, als ich hier war«, sagte Michael. »Wer hat die Jungen mit diesem Fremden fortgehen sehen? Wer ist als Zeuge aufgetreten?«
Torry öffnete den Mund. Schloss ihn wieder. Blickte nachdenklich.
»Ein Flüstern im Dunkel«, sagte Glorianna. »Jeder hat ›etwas‹ gehört. Niemand weiß, wo es begonnen oder wer es als Erstes ausgesprochen hat.«
»Der Zerstörer des Lichts ist unter uns, Torry«, sagte Michael.
»Der Zerstörer ist nur eine Geschichte«, widersprach Torry.
Michael schüttelte den Kopf. »Nein, das ist Er nicht.« Er tätschelte das Pferd und trat zurück. »Du musst ein paar Tage fort. Das verstehe ich. Manchmal muss man dieselben Sterne von einem anderen Ort aus sehen, um das Herz zu beruhigen, wenn es schmerzt. Aber geh nicht nach Kendall. Auch dort gibt es … Dunkelheit.«
Er ist ein guter Mann, dachte Michael. Komm schon, Wildes Kind, schenke ihm ein wenig Glück, damit sein Herz sich leichter fühlt.
»Seid ihr auf dem Weg hinunter ins Dorf?«, fragte Torry nach einem langen Augenblick.
»Nein«, sagte Michael. »Wir haben nur hier angehalten, um uns auszuruhen und ein wenig Musik zu spielen. Wir sind auf dem Weg zur Poststation und ziehen dann morgen nach Foggy Downs weiter.«
Torrys Wangen färbten sich rot. »Ein ganz schönes Stück Weg für eine Dame, nicht wahr?«
Vor ein paar Minuten hatte er Glorianna noch nicht Dame genannt.
Die Musik in dem Jungen verändert sich, erkannte Michael und fühlte, wie ihm selbst leichter ums Herz wurde.
»Da gibt es doch bestimmt ein Wirtshaus, oder nicht?«
Michael nickte. »Shaneys. Essen, Trinken, ein paar Zimmer im Obergeschoss.«
»Und Musik?«
»Morgen Abend, ja.« Michael schenkte Torry ein Lächeln von Mann zu Mann. »Vielleicht bringe ich der Frau sogar bei, wie man eine Trommel spielt.«
»Was?«, heulte Glorianna auf.
»Das bisschen Geklatsche dort draußen war nett«, sagte Michael und verlieh seiner Stimme eine Mischung aus Besänftigung und Herablassung, eine Mischung, die unter Garantie - ja, das war der Blick - Feuer in den Augen einer Frau entfachte. »Aber über dem Tanzen wird es keiner hören.«
»Und du wirst über dem Klingeln deiner Ohren nichts mehr hören, wenn ich damit fertig bin, dir ein paar Kopfnüsse zu verpassen.«
Die Herrin hab Erbarmen, sie könnte es ernst meinen.
Aber Torry brach in Gelächter aus, und der Klang ließ sie Michael finster anstarren.
»Friede, meine Dame«, sagte Torry. »Er wird besser spielen, wenn er die Melodie hören kann.« Er hielt inne, dann fügte er zaghaft hinzu: »Es ist Platz im Wagen. Ich kann euch bis zur Poststation mitnehmen. Würde euch zumindest diesen Weg ersparen.«
»Im Gegenzug dafür, dass ich ihn nicht schlage?«, fragte Glorianna in einem Tonfall, den Frauen perfektioniert haben, um einem Mann die Haut in Schichten vom Körper zu schälen.
»Meine Mutter sagt immer, Güte bringt Güte hervor«, sagte Torry kleinlaut.
Glorianna starrte ihn an. Dann seufzte sie und hob ihren Rucksack auf. »Deine Mutter hat Recht. Mütter haben immer Recht.«
Doreen ging auf die Pension zu, zu müde, um sich entmutigt zu fühlen. Sie war seit dem Morgen auf den Beinen und hatte getan, was sie konnte, um die richtigen Männer zu treffen. Und jetzt war es schon Abendessenszeit, und sie hatte noch nicht einmal eine Tändelei für ihre Bemühungen vorzuweisen. Aber wie sollte sie sich denn sehen lassen, wenn sie es
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