Belladonna
Tanten erwartet hätte - oder von Pferdehändlern -, wenn sie versuchten, ihren Lieblingsneffen einer potenziellen Ehefrau zu verkaufen.
Und das war genau das, was sie versuchten.
Dann erhaschte sie eine Bewegung auf der Treppe, die zu den Zimmern führte. Ihre Beine gaben unter ihr nach und es war reines Glück, dass sie halb auf einem Stuhl landete. »Oh, Wächter und Wahrer.«
Nein, sie hatte ihn noch nie wirklich von seiner Schokoladenseite gesehen. Sogar während des Abends, den sie alle im Pfuhl verbracht hatten, hatte sie ihn nicht so gesehen, wie er wirklich war.
Er hatte den schmuddeligen, freundlichen Fremden zusammen mit dem abgetragenen Hemd und den Hosen abgelegt, die er auf Reisen trug. Er hatte Michael auf dieselbe Art abgelegt, in der sie manchmal Glorianna ablegte, den Teil ihres Selbst, der Familie und Freunde besaß.
Der Mann, der langsam auf sie zukam, war nicht Michael. Das hier war der Verwünscher, der Glücksbringer, der die Strömungen der Macht beherrschen konnte, die Ephemera durchzogen. Der Magier.
Die Stimmen um sie herum verstummten. Oder vielleicht hatte sie einfach aufgehört, auf irgendetwas zu achten außer auf ihn.
Ich habe das getan, erkannte sie, als sie in seine blaugrauen Augen sah. Ich habe einen verschleierten Spiegel enthüllt und ihm klare Sicht darauf gegeben, was er war, was er sein könnte. Wächterin des Herzens. Ich habe ihm den Weg gezeigt. Jetzt ist es an ihm, sich auf den nächsten Abschnitt seiner Reise zu begeben.
Sie stand auf, um ihm entgegenzugehen. »Magier.«
Die Menschen um sie herum atmeten scharf ein, doch er nickte. »Das ist, was ich bin. Verwünscher. Glücksbringer.«
»Derjenige, der die Strömungen der Macht in euren Teilen der Welt im Gleichgewicht hält. Der Geist, der die Tür der Schlösser öffnet. Das ist, wer wir sind, Michael. Das ist, woher wir stammen - und deshalb sind wir noch hier, wandeln auf der Welt.«
Ein Prickeln entstand in der Luft zwischen ihnen, als versuche etwas, hereinzukommen.
»Es ist so weit«, sagte Glorianna.
»Es ist so weit«, sagte sie, und ihre Musik klang so wundervoll und so bittersüß, dass es ihm das Herz brach.
Es war so weit, aber … Noch nicht. Ein paar Stunden noch. Nur noch ein paar Stunden.
Er schüttelte den Kopf. »Zuerst kommt die Musik - und der Tanz. Du wirst mit mir tanzen, Glorianna Belladonna.« Er hob eine Hand und strich mit einem Finger über ihre Wange. »Du wirst mit mir tanzen.«
Shaney - oder vielleicht war es die Missus, die die Entscheidung getroffen hatte - schloss die Taverne, als die Familien, die zur Feier eingeladen worden waren, eine nach der anderen ankamen. Alle brachten etwas zu essen mit. Die anderen Gäste würden in ein oder zwei Stunden zurückkommen, wenn Shaney die Türen wieder öffnete. Dann wäre der Raum bis auf den letzten Platz besetzt. Nicht der Musik oder des Tanzes wegen. Nicht heute Abend, obwohl sie beides bekommen würden. Nein, heute Abend wollten sie sich die Frau genauer ansehen, die mit ihm Shaneys Taverne betreten hatte. Die Frau, die aus einem fernen Land kam. Die Frau, die ihn vor allen »Magier« genannt und dem Wort eine neue Bedeutung verliehen hatte. Magier. Derjenige, der dazu beitrug, um der Welt willen das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkel zu bewahren. Der, indem er einem Herzen half, eine Tür zu öffnen, so vielen helfen könnte.
Der, indem er diesem einen Herzen half, die aufkeimende Hoffnung seines eigenen Lebens zu Asche verbrennen würde.
Also hielt er sich an allem fest, was sie ausmachte. Der Klang ihrer Stimme, sowohl belustigt als auch verwirrt, als sie Maeve aufrichtige Antworten über ihre Heimat und Familie gab, die keinen Sinn ergaben, es sei denn, man hatte Gloriannas Teil der Welt gesehen. Ihr Duft unter der feinen Seife, die die Missus nur für besondere Gäste herausholte - ein reifer Duft, der einen Mann betrunken machen konnte, noch bevor er ihr wirklich nahe gekommen war. Wie ihre grünen Augen sich mit kindlicher Freude gefüllt hatten, als sie das erste Mal eine Elandar-Trommel sah - und wie sie ihn angeblickt hatte, als man ihr einen einfachen Rhythmus beigebracht und sie ein Lied mit ihm, nur mit ihm, gespielt hatte, während die anderen Musiker leise dasaßen und ihn anlächelten oder ihm zuzwinkerten.
Er hielt sich daran fest, wie es sich anfühlte, mit ihr zu tanzen, wie sie beide gelacht hatten, als sie die Schritte lernte, beide atemlos vor Verlangen, während sie sich im Kreis drehten,
Weitere Kostenlose Bücher