Belladonna
und ihre Augen nichts sahen als einander. Dann küsste er sie, lange und langsam und süß, emporgehoben vom Gelächter und dem Applaus der Menschen um sie herum …
… bis krachend die Tavernentür aufflog.
»Möge die Herrin Erbarmen haben«, sagte der Mann, der schwankend in der Türöffnung stand. »Beinahe hätte ich aufgegeben. Ich könnte schwören, die Straße ist ständig verschwunden, sonst wäre ich schon vor Stunden hier gewesen.«
Ein kalter Schauer rann Michael den Rücken hinunter, als er den erschöpften Mann auf den Tresen zuwanken sah. Er erkannte das Abzeichen auf dem Mantel des Reiters. Ein Eilbote.
Er hatte um einen Tag gebeten - und Ephemera, das Wilde Kind, dem seine Musik gefiel, hatte sein Bestes getan, ihm diesen Tag zu geben. Also hatte sich eine Straße als schwer auffindbar erwiesen, um eine Nachricht zu verzögern.
»Setzt Euch, Mann«, sagte Shaney, als er hinter den Tresen eilte. »Ihr seid ja völlig erschöpft.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Muss mich ums Pferd kümmern. Armes Tier, hat sich fast die Beine abgelaufen.«
»Ich sehe nach dem Pferd«, rief einer der Männer.
»So, jetzt«, sagte die Missus. »Setzt Euch auf den Hocker hier, und wir bringen Euch etwas zu essen und zu trinken.«
Michael legte vorsichtig einen Arm um Gloriannas Taille und wartete.
Dann erkannte Shaney endlich das Abzeichen, als er einen Krug Bier vor dem Reiter abstellte. »Nach wem sucht Ihr?«
»Ich weiß nicht genau. Kennt irgendjemand hier eine Frau namens Doreen?«
Michael durchlief ein Schauer. Er würde nicht länger verstecken, was er war, also konnte Doreen ihm keinen Schaden zufügen, ganz gleich, wem sie es erzählt hatte.
»Sie hat früher hier gearbeitet«, sagte Shaney misstrauisch.
Der Mann zog den Brief aus seinem Beutel und reichte ihn Shaney. »Dann ist das hier für Euch.«
Shaney trat beiseite, als die Missus dem Reiter eine Schale mit Eintopf und einen Teller voller Käse und mit Butter bestrichenem Brot hinstellte.
Niemand sprach, als Shaney das Siegel brach und die Nachricht las.
Ein gebrochenes Lied aus Schmerz und Trauer - und einer Spur Schuld.
»Sie ist tot«, sagte Shaney. Er blickte zu Maeve, nicht zu seiner Frau, als er es aussprach. »Sie wurde ermordet.«
»Herrin des Lichts, hab Erbarmen«, murmelte Maeve und setzte sich schwer. »Wir hatten genug von ihr und ihren Intrigen, aber das hat niemand gewollt.«
Die Missus brach in Tränen aus. Shaney schlang die Arme um sie und wiegte sie sanft.
»Wo?«, fragte Glorianna und sah den Reiter an.
»Kendall«, antwortete er. »Ich bin spät in der letzten Nacht mit ein paar Eilbriefen in Kendall losgeritten. Ich wäre früher hier gewesen, aber ich konnte die verdammte Straße nicht finden.«
Michael senkte den Kopf und flüsterte in Gloriannas Ohr: »Warte an der Treppe auf mich.«
Es ist so weit.
Ja, dachte er, als er sich durch die Menge schob, um ein Wort mit Shaney zu wechseln. Es war so weit.
Waren sie Geliebte gewesen?, fragte sich Glorianna, als sie an der Treppe wartete und Michael beobachtete, wie er mit Shaney und Maeve sprach. Nein, keine Geliebten. Nicht einmal Freunde. Doch es war etwas zwischen ihnen gewesen.
Das Fest verlief sich. Familien sammelten ihre Kinder ein und gingen nach Hause. Keine Musik mehr, kein Gelächter mehr. Nicht heute Nacht.
Es ist so weit.
Er kam auf sie zu, das Gesicht verzerrt vor düsterer Sorge - und Resignation. Sie hatte diesen Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Mutter gesehen. Hatte ihn über die Jahre oft genug im Spiegel erblickt.
Landschaffer, Wächter, Wahrer, Magier, Schamane, Der-mit-dem-Herzen-Geht, Herzensseher, Geist. Welche Rolle spielte der Name? Das Gefühl war das gleiche. Manchmal öffnete man eine Tür, zeigte einen Pfad auf, sorgte für den Moment der Gelegenheit und Entscheidung - und trotz all ihrer Versprechen führte diese Entscheidung zu einem bitteren Ende, einem tragischen Ende. Führte zu Leid.
»Michael?«
Er schüttelte den Kopf, legte eine Hand um ihren Ellbogen und führte sie die Treppe hinauf. Als sie die Tür zu seinem Zimmer erreichten, blieb er stehen. »Wir müssen miteinander reden.«
»Über Doreen?«
»Nicht so sehr über sie.«
Er öffnete die Tür, dann trat er zur Seite und ließ sie zuerst eintreten. Als er hereinkam, schloss er die Tür ab. Das Geräusch zerrte an ihren Nerven.
»Ich glaube, diese Bestie ist wieder in Kendall«, sagte Michael. »Der Brief … Es war ein grausamer Tod, Glorianna. Doreen war
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