Belladonna
über das unser heiliger Ort sich erstreckte. Also bin ich Euch durch unsere Gärten gefolgt, über die Felder und durch die Wälder. Dann seid Ihr plötzlich stehen geblieben, habt Euer Gesicht zum Himmel erhoben, die Augen geschlossen … und den Frieden in Euch aufgenommen. Ich habe gesehen, wie das Licht Euch erfüllte, gespürt, wie es sich über sein neues Gefäß freute, zugesehen, wie ihr aufgeblüht seid, wie eine Blume in einem Regenschauer.
Ich habe zugesehen und gefühlt, wie sich etwas in meinem Herzen veränderte. Ich verstand die Arbeit, die ich in der Welt tun könnte - anderen helfen, diesen Ort der Ruhe zu finden, diesen Moment des Friedens, in dem sie die Wünsche ihres eigenen Herzens wirklich hören können und die Pfade, die sich ihnen auf der Reise ihres Lebens öffnen, sehen. Weil ich gebeten wurde, über Euch zu wachen, habe ich meinen Platz im Licht gefunden.«
»Wenn ich an jenem Tag nicht in Eure Gemeinschaft gekommen wäre, hätten die Wächter der Dunkelheit mich in meinem Garten in der Schule eingeschlossen«, sagte Glorianna. Nach einem Moment der Stille, der die Welt auszufüllen schien, fragte sie: »Warum habt Ihr mir diese Geschichte nie zuvor erzählt?«
»Bis wir Freunde wurden und einander gut genug kannten, um über heikle Themen zu sprechen, wusste ich nicht, wie Ihr, als Landschafferin, die Welt um Euch herum saht. Nachdem ich begonnen hatte, das zu verstehen, schien mir nie der richtige Zeitpunkt zu sein, Euch diese Geschichte zu erzählen. Bis heute. Und so frage ich Euch jetzt, Glorianna Dunkel und Weise. Waren meine Gebete, war der Wunsch meines Herzens der Grund, dass Ephemera einen Weg geschaffen hat, auf dem Ihr meinen Teil der Welt erreichen konntet? Wenn es so war, trage ich dann die Schuld an Euren Sorgen?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Glorianna. »Jeden Tag treffen wir hundert Entscheidungen, und jede dieser Entscheidungen, ganz gleich wie unbedeutend, verändert die Landschaft, in der wir leben, ein klein wenig. Genügend winzige Veränderungen können die Resonanz eines Menschen ändern und ihm für den nächsten Teil der Reise seines Lebens andere Landschaften eröffnen.«
»Oder eine Landschaft verschließen?«, fragte Yoshani sanft.
Sie nickte. »Manchmal überqueren Menschen eine Brücke und finden den Weg zurück in eine Landschaft, die sie einst kannten, nie wieder, weil sie diesem Ort entwachsen sind. Sie haben dieser Landschaft, und die Landschaft hat ihnen, nichts mehr zu bieten.«
»Und manchmal wissen sie, es ist Zeit zu gehen, wenn sie diesen Punkt erreichen.« Yoshani ergriff wieder ihre Hand. »Ihr habt diesen Punkt heute erreicht. Ich glaube, tief in Eurem Herzen habt Ihr die Schule nie wirklich verlassen. Ich glaube, indem Ihr an einer Landschaft festgehalten habt, die Euch nicht gehörte, habt Ihr die Versuche Eures eigenen Herzens von Euch gewiesen, einen Herzenswunsch zu offenbaren.« Sanft drückte er ihre Hand. »Ihr habt die Wahrheit gesprochen, Belladonna. Ihr seid nicht wie sie. Seid es nie gewesen. Lasst sie gehen. Sie sind auf ihrer eigenen Reise. Es ist Zeit, dass Ihr nach den Menschen sucht, die Euch mehr gleichen.«
Eine Welle der Macht durchfuhr sie, als sei endlich ein Damm gebrochen, der eine gewaltige Kraft lange zurückgehalten hatte.
Ein Herzenswunsch.
Ihr Herzenswunsch.
»Wächter und Wahrer«, keuchte sie.
»Was ist? Was ist geschehen?« Yoshani umfasste ihre Schultern, um sie zu stützen.
»Ich glaube, man nennt es eine Offenbarung - oder einen Herzenswunsch, der befreit wurde.« Sie spürte eine schwache Resonanz. »Etwas hat sich bereits in Bewegung gesetzt. Ich konnte es vorher nicht spüren.«
Doch sie hatte es gespürt - in einem Stein, den Ephemera in ihren Garten gebracht hatte.
»Ich muss zurück zur Insel im Nebel«, sagte sie und sprang auf.
»Darf ich Euch begleiten?«, fragte Yoshani, als er sich erhob und sich neben sie stellte. Sie zögerte, lehnte seine Gesellschaft beinahe ab und ließ dann die Wellen, die immer noch durch die Strömungen der Macht hallten, für sie entscheiden.
»Danke. Eure Gesellschaft wäre sehr willkommen.«
»Und weil Ihr so großzügig seid, werde ich Euch sogar eine Mahlzeit zubereiten«, sagte Yoshani, als sie sich vom Koi-Teich entfernten. »Habt Ihr Reis?«
»Ja. Nein. Vielleicht.« Sie kochte, wenn sie ein paar Tage allein auf der Insel war und Lust hatte, in der Küche herumzuwerkeln, doch das bedeutete nicht, zu wissen, was sie im Moment in der
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