Belladonna
Pfuhl getrunken habe, der mich so fühlen lässt, als sei ich wieder neun Jahre alt, und Mutter hätte uns beide rausgeworfen, weil wir unerträglich waren. Doch das Wissen hielt ihn nicht davon ab, Sebastian anzusehen und im gleichen Tonfall zu sagen, den er benutzt hatte, als er neun war: »Papi. Papi, Papi, Papi.«
Sebastian ging nicht auf ihn los. Er wurde nur noch blasser.
Dann sagte Jeb: »Weißt du, an dem gleichen Tag, an dem Sebastian Vater wird, wirst du Onkel.«
Und Lee fühlte, wie ihm alles Blut aus dem Gesicht wich.
Jeb nickte einmal zustimmend. »Ich dachte mir, dass dir der Gedanke helfen wird.« Er blickte zu Yoshani. »Habt Ihr Nadias Garten schon gesehen? Ich habe gerade eine Bank für sie fertig gebaut.«
»Es würde mich erfreuen, weitere Beispiele Eurer Handwerkskunst zu sehen«, sagte Yoshani lächelnd.
»Was glaubst du, geht da draußen vor sich?«, fragte Glorianna und spähte kurz aus dem Küchenfenster, bevor sie das Geschirr auf den Tisch stellte, den Lynnea gerade abgewischt hatte. »Jeb und Yoshani scheinen sich zu amüsieren, und Sebastian und Lee sehen so aus, als hätte sie unerwartet ein Schlag getroffen.«
»Lee sollte Sebastian nicht ärgern«, sagte Lynnea. »Er muss sich noch daran gewöhnen, ein Rechtsbringer zu sein.«
»Statt eines Unglücksbringers?«, fragte Glorianna übertrieben unschuldig.
Nadia wandte sich von der Anrichte ab, auf der sie gerade den Teig für das Hefegebäck ausrollte. »Eines von euch Mädchen sollte vielleicht erwähnen, dass ich nicht fragen werde, warum Lee im Pfuhl gewesen ist und so viel getrunken hat, dass Sebastian ihn nach Hause bringen musste, wenn sich alle den Rest dieses Besuches über benehmen. Und jetzt hätte ich gerne ein bisschen mehr Hilfe dabei, das Essen auf den Tisch zu bringen, und ein bisschen weniger Heiterkeit.«
Sobald sich Nadia wieder ihrem Teig zugewandt hatte, grinste Glorianna Lynnea an. Es spielte keine Rolle, dass sie alle damit beschäftigt waren, Ephemera vor dem Weltenfresser zu retten. Wenn es um ihr Zuhause und die Familie ging, änderten sich manche Dinge einfach nie.
Kapitel 10
Je näher er Kendalls Hafenbecken kam, desto schlechter fühlte sich Michael. Es war, als liefe er durch knöcheltiefen Morast, und jeder Schritt kostete ihn eine enorme Anstrengung. Doch die Straßen waren so sauber, wie sie es in diesem Teil der Hafenstadt immer waren, und dieses Gefühl hatte nichts mit der wirklichen Welt um ihn herum zu tun. Etwas anderes löste es aus, etwas Fremdartiges, etwas … Böses.
Und schlimmer noch, die Musik, die Kendalls Hafenviertel verkörperte, klang falsch.
Ihn schauderte. Das Klappern der Töpfe und Pfannen an seinem Rucksack erschien ihm plötzlich zu laut, zog zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Er blieb stehen und sah sich um, als müsse er sich orientieren.
Dasselbe Gefühl hatte er gehabt, als er durch den Nebel gelaufen war, der Foggy Downs erstickt hatte.
Michael legte den Kopf schief, obwohl die Musik, der er lauschte, kein realer Klang war. Ja, jetzt erkannte er sie - die durchtriebenen Akkorde der Versuchung, das Trillern der Angst, das raue Grollen der Verzweiflung. Was auch immer diesen Teil Kendalls berührt hatte, es war das, was auch Foggy Downs vergiftet hatte. Und Dunberry. Er hatte es geschafft, Foggy Downs wieder dem Rhythmus und Takt seiner eigenen Melodie anzupassen. Vielleicht war hier dasselbe möglich. Er konnte es sich nicht leisten, Kendalls Hafenviertel als sicheren Ort zu verlieren, an dem er nicht auffallen würde. Und, verdammt, er konnte es sich nicht leisten, diesen bestimmten Hafen zu verlieren, da er auf seinen Reisen von der Freigiebigkeit der Schiffskapitäne abhängig war.
Eilig lief er jetzt durch die Straßen, bis er den Heimathafen erreicht hatte, eine Taverne, die sauberer war als die meisten, den Alkohol nicht so stark mit Wasser streckte und deren Besitzer, Big Davey, gewöhnlich bereit war, einen Abend Musik gegen einen Happen zu essen und eine Pritsche für die Nacht zu tauschen.
Doch die Gespräche verstummten, als er durch die Tür trat. Finster dreinblickende Männer, abgehärtet von einem Leben auf See, musterten ihn mit einer Wachsamkeit und einem Argwohn, dass er sich fragte, ob er es zurück aus der Tür schaffen würde, ohne in eine Schlägerei zu geraten. Prügeleien waren für ihn nichts Neues - er trug ein paar Narben von zerbrochenen Flaschen und Messern als Beweis - und so wusste er, wann es Zeit war, seinen Mann zu
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