Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
Vom Netzwerk:
stehen, und wann man lieber Fersengeld geben sollte.
    Er hatte den ersten Schritt zurück bereits getan, als von einem der Tische eine Stimme erklang. »Wen haben wir denn da! Wirt, bringt meinem Freund einen Whisky und Bier.«
    Die Seemänner erkannten die Stimme, entspannten sich und nahmen ihre Unterhaltungen wieder auf. Michael schritt durch die Tische und ließ seinen Rucksack von der Schulter gleiten, bevor er sich dem Mann gegenübersetzte, der ihn so freudig begrüßt hatte.
    »Kapitän Kenneday«, sagte Michael. Er blickte zu dem Mann auf, der ihm seine Getränke brachte - ein Neuer, der noch nicht im Heimathafen gearbeitet hatte, als er das letzte Mal in Kendall gewesen war -, und fing an, in seinen Taschen nach den Münzen zu kramen, die er brauchte, um Bier und Whisky zu bezahlen.
    Kenneday winkte ab. »Das geht auf mich.« Dann hob er sein Bierglas. »Auf deine Gesundheit, Michael.«
    »Und auf die Eure«, erwiderte Michael und hob sein  eigenes Glas, um den Gruß zu erwidern. Er blickte sich im Raum um. »Sieht nicht so aus wie ein Abend, an dem man sich zum Spaß betrinkt und hinterher besoffen genug ist, um seinen Kameraden eine dreiste Lüge zu erzählen.«
    »Nein, heute trinkt keiner zum Spaß.« Kenneday leerte sein Glas zur Hälfte, dann wischte er sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Hast du von den Morden gehört?«
    Michaels Hand stockte, beinahe verschüttete er sein Bier. »Morde?«
    »Vier Bordsteinschwalben und ein junger Herr, der sich die falsche Nacht ausgesucht hatte, um sich die Elendsviertel am Hafen anzusehen.«
    »Jemand hat vier Frauen umgebracht?«
    Der Tod des jungen Herrn war nicht besonders überraschend. Jeder, der reich gekleidet war und sich zur Nachtzeit am Hafen herumtrieb, war jemand, der geradezu darum bettelte, zumindest ausgeraubt zu werden.
    »Drei Frauen.« Kenneday zuckte mit den Schultern, um anzudeuten, dass er kein Urteil darüber fällte, wer sich so in den Gassen seinen Lebensunterhalt verdiente. »Alle grausam getötet. Hat’ne ganz schöne Aufregung verursacht.«
    »Sie haben denjenigen, der es getan hat, nicht gefunden?«
    »Die Wachmänner haben gar nichts gefunden. Es ist, als wäre das, was auch immer die Leute umgebracht hat, einfach wie vom Erdboden verschluckt worden.«
    »Was unmöglich ist.«
    »Ist es das?«, flüsterte Kenneday. »Ist es das wirklich, Michael?« Er rieb mit den Fingern einer Hand über sein grau meliertes Haar, dann lächelte er, offensichtlich in dem Versuch, die Stimmung aufzuhellen. »Also, wohin bist du jetzt unterwegs? Nimmst du Kurs auf deine südlichen Anlaufhäfen?«
    Wie viele andere Menschen erkannten, dass seine  Wanderungen nicht so ziellos waren, wie es schien? Er hatte ohne ein festes Ziel begonnen, doch am Ende seines zweiten Jahres hatte er erkannt, dass er auf einer Rundreise war und jedes Jahr ein paar Mal in die gleichen Dörfer zurückkehrte.
    Genau wie sein Vater es getan hatte. Seltsam, dass ihm das nie zuvor aufgefallen war. Doch im letzten Jahr, in dem die Familie gemeinsam unterwegs gewesen war, war er zwar alt genug gewesen, um sich auf einen Ort zu freuen, an dem sie schon einmal gewesen waren, aber zu jung, um das Muster dieser Reisen zu erkennen.
    »Eigentlich bin ich auf dem Weg nach Norden«, erwiderte Michael, plötzlich vorsichtig. Kenneday war zehn Jahre älter als er und ein aufgeschlossener Kerl, der normalerweise nicht übermäßig neugierig war, was das Privatleben eines anderen Mannes betraf, es sei denn, es ging um ein paar anzügliche Sticheleien. Die Frage hatte freundlich geklungen, doch er konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass mehr dahintersteckte. »Hoch nach Ravens Hill, ein bisschen Zeit mit meiner Tante und meiner Schwester verbringen.«
    »Dahin bin ich auch unterwegs. Muss’ne Schiffsladung auf die Weiße Insel bringen, also segeln wir an Ravens Hill vorbei. Ich kann lange genug vor Anker gehen, um dich an Land zu setzen.«
    »Das ist ein freundliches Angebot«, sagte Michael, der mit jedem Augenblick misstrauischer wurde.
    Nicht der Rede wert, bedeutete Kenneday ihm mit einem Schulterzucken. Doch er hielt den Blick auf den Tisch gerichtet, während er langsam sein Glas kreisen ließ. »Wir legen gleich morgen früh mit der Flut ab, also kann ich dich über Nacht in einer der Kojen einquartieren. Hast du schon zu Abend gegessen?«
    »Nein.« Michael warf einen flüchtigen Blick in den Raum, dann beugte er sich über den Tisch. »Ich will nicht sagen, Ihr seid kein

Weitere Kostenlose Bücher