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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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Moment aussetzte, als sich die Tentakel aus dem Meer erhoben. Das war der Albtraum, der Schiffe zerschmetterte und tote Männer zurückließ, damit ihre Geister das Meer heimsuchten.
    Er konnte das Lied der Dunkelheit spüren, konnte schon den Rhythmus fühlen, der zu seinem verführerischen Lockruf passte.
    Nein! Er wollte den Rhythmus nicht finden. Dieses  Ding hatte seine Schwester gestohlen, hatte die Herzen dreier Jungen vergiftet, um seine Tante zu verletzen. Dieses Ding würde zu seinem Lied tanzen.
    Und was für ein Lied kennst du, das dunkel genug für mich ist?, flüsterte eine spöttische Stimme in seinem Geist.
    Darauf wusste er keine Antwort, und er zögerte.
    Die um sich schlagenden Tentakel, die wie Peitschen die Luft durchschnitten, kamen näher.
    Nein, dachte Michael. Nein! Doch plötzlich erkannte er, dass die Frage nicht nutzlos gewesen war. Der Zerstörer wusste etwas, das er nicht wusste, und von dieser Information hing sein Überleben ab. Das war der Grund, aus dem das Ding sich des Sieges sicher war.
    Der Boden unter seinen Füßen wurde weich, fließend. Ein Wind, der seine Haut nicht berührte, fuhr durch ihn hindurch. Der Hafen verblasste, der Lärm der Männer, die angstvoll aufschrien, verstummte.
    Und was für ein Lied kennst du, das dunkel genug für mich ist?
    Die Frage hallte durch seinen Verstand.
    Wenn ich verdammt bin, an einen dunklen Ort zu gehen, dann wird es ein Ort sein, den ich selbst ausgesucht habe, dachte Michael mit all der Überzeugung, die er aufbringen konnte.
    Was für ein Ort?, flüsterte die spöttische Stimme. Ich bin der Weltenfresser. Ich bin der Zerstörer des Lichts. Es gibt keinen Ort, an den ich dir nicht folgen kann.
    Verzweiflung ergriff ihn. Er spürte, wie er hochgehoben wurde. Wusste, in einem Augenblick würde sein Schicksal besiegelt sein.
    Die Welt war in Bewegung. Er fühlte Dinge, die keine Sprache, sondern Musik besaßen. Und dann, als er fühlte, wie er auf das Wasser zustürzte, vernahm er ein anderes Lied - und erkannte die Antwort.
    Noch einmal beschwor er das Bild der schwarzhaarigen Frau seiner Träume herauf.
    Ihre Dunkelheit ist mein Schicksal. Ihr Herz ist meine Welt. Es gibt nichts anderes, nichts anderes, nichts. Und wenn ich mit ihr verbunden bin, werden sie und ich dich vernichten.
    Das Ding schrie auf vor Wut und Angst. Die Welt riss entzwei, zog Michael und den Zerstörer in verschiedene Richtungen.
    Michael fiel - taub, blind, außerstande, etwas anderes zu tun, als sich an einem Bild festzuhalten - dem Bild seiner Geliebten.
    Ihre Dunkelheit ist mein Schicksal. Die Hoffnung des Herzens liegt in Belladonna.
    Er fiel. Und fiel.
    Plötzlich kehrte die Welt zurück. Geräusche. Sicht. Einen Augenblick lang konnte er das Land um ihn herum erkennen, dann traf er auf die Wasseroberfläche.
    Und als das Wasser über seinem Kopf zusammenschlug, gab es nur noch Dunkelheit.
     

Kapitel 12
    Glorianna stürzte aus einem Teil ihres Gartens in den nächsten. Hielt Ausschau. Suchte. Lauschte mit dem Herzen und verstand die Botschaften nicht, die Ephemera ihr übermittelte.
    Es fühlte sich an wie ein Urteil des Herzens, aber doch nicht ganz so, als wäre jemand von den Strömungen der Welt davongetragen worden, um in der Landschaft zu landen, die sein Herz am genausten widerspiegelte. Es fühlte sich an, als überschreite jemand eine Brücke von einer Landschaft in eine andere, doch normalerweise hätte sie die Resonanz eines Übergangs nicht gespürt, denn jemand, der nicht wahrhaft in ihre Landschaften gehörte, sollte nicht in der Lage sein, sie zu erreichen. Das allein war beunruhigend genug, aber …
    »Glorianna!« Lee schloss zu ihr auf. »Glorianna?«
    »Jemand - oder etwas - hat versucht, den Weltenfresser in eine meiner Landschaften zu bringen«, sagte Glorianna und starrte auf den Teil des Gartens, der die Zugangspunkte zu ihren dunklen Landschaften enthielt.
    »Was?« Lee sprang einen Schritt zurück, als erwarte er, dass der Weltenfresser jeden Moment aus der Erde schießen würde.
    Du hast einen Jungen angefasst! Du hast die Pest!
    Lees Sprung erinnerte sie an eine Neckerei, die sie so oder ähnlich schon in so vielen Dörfern gehört hatte - eine Neckerei, die Teil der Rituale zu sein schien, die ein Mädchen in eine junge Frau verwandelten. Irgendwann im Laufe dieser Jahre wurde aus der »Pest« »interessant«,  und danach war das Leben eines Mädchens nie wieder ganz das gleiche. Natürlich war auch das Leben der Jungen nie

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