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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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mehr angespannt. Und auch der schnelle Fußmarsch vom Parkhaus zum Gerichtsgebäude hatte nicht dazu beigetragen, seine Anspannung zu lösen.
    «Ich kann dir dies hier nur ganz kurz überlassen», sagte Keith, der spürte, wie viel Jeffrey an dieser Sache lag. «Ich hab's von einem Kumpel aus dem Archiv.»
    Jeffrey nahm den Aktenordner entgegen, aber öffnete ihn noch nicht. Er wusste, was er darin finden würde: Bilder von Sara, Zeugenaussagen, detaillierte Beschreibungen dessen, was genau auf jener Toilette geschehen war.
    «Gehen wir rein», sagte Keith und geleitete Jeffrey ins Gebäude.
    Jeffrey zeigte an der Tür kurz seine Dienstmarke und entging dadurch der Sicherheitsüberprüfung. Keith führte ihn in ein kleines Büro seitlich vom Eingang. Ein Schreibtisch, der von TV-Monitoren gesäumt war, füllte fast den gesamten Raum aus. Ein junger Bursche mit dicken Brillengläsern und in einer Polizeiuniform sah überrascht auf, als sie eintraten.
    Keith zog einen Zwanzigdollarschein aus der Tasche. «Hier, kauf dir was zu naschen», sagte er.
    Der junge Mann nahm das Geld und ging, ohne einen Ton zu sagen.
    «Hingebungsvolle Dienstauffassung», kommentierte Keith sarkastisch. «Man muss sich doch fragen, was die bei der Polizei wollen.»
    «Ja», murmelte Jeffrey, der sich nichts weniger wünschte als eine weitschweifige Unterhaltung über die Qualität von Polizeirekruten.
    «Ich lass dich damit allein», sagte Keith. «Zehn Minuten, okay?»
    «Okay», antwortete Jeffrey, der nur noch darauf wartete, dass die Tür geschlossen wurde.
    Die Akte war kodiert und datiert und trug irgendwelche obskuren Bezeichnungen, die wohl nur ein städtischer Angestellter enträtseln konnte. Jeffrey rieb mit der Hand über die Vorderseite, als könne er sich die Informationen einverleiben, ohne sie tatsächlich betrachten zu müssen. Als das aber nicht gelingen wollte, atmete er tief durch und öffnete die Akte.
    Bilder von Sara nach der Vergewaltigung stürmten auf ihn ein. Farbige Nahaufnahmen ihrer Hände und Füße, der Stichwunde an ihrer Seite und ihrer geschundenen Geschlechtsorgane ergossen sich über den Tisch. Bei ihrem Anblick rang er nach Luft. Es schnürte ihm den Brustkorb zusammen, und stechende Schmerzen durchführen seinen Arm. Einen Augenblick lang dachte Jeffrey, er hätte einen Herzanfall, aber ein paar tiefe Atemzüge verhalfen ihm langsam wieder zu einem klaren Kopf. Er merkte, dass er unwillkürlich die Augen geschlossen hatte, und als er sie wieder aufschlug, drehte er die Bilder von Sara um, ohne noch einmal hinzusehen.
    Jeffrey lockerte die Krawatte. Er gab sich große Mühe, die Bilder zu verdrängen, die er gerade noch gesehen hatte. Er blätterte die anderen Fotos durch und stieß auf ein Bild von Saras Auto. Es war ein silberfarbener BMW 320 mit schwarzen Stoßstangen und blauen Streifen an den Seiten. In die Tür geritzt war, wohl mit einem Schlüssel, das Wort FOTZE, wie Sara bei ihrer Aussage vor Gericht auch gesagt hatte. Es gab sowohl ein - wie ein -Foto der Autotür, einmal ohne und einmal mit dem silbernen Klebeband. Jeffrey hatte ganz plötzlich Sara vor Augen, wie sie vor der Tür kniete und die Verunstaltung überklebte. Wahrscheinlich hatte sie sich dabei vorgenommen, wenn sie wieder einmal nach Grant käme, den Schaden von ihrem Onkel Al beheben zu lassen.
    Jeffrey warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Fünf Minuten waren schon verstrichen. Auf dem Monitor einer der Überwachungskameras sah er Keith. Er hatte die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und quatschte mit den Wächtern am Eingang.
    Als er weiter hinten in der Akte blätterte, fand er den Bericht über die Festnahme von Jack Allen Wright. Wright war vorher bereits zweimal unter Verdacht in Gewahrsam genommen, aber nicht angeklagt worden. Beim ersten Vorkommnis hatte eine junge Frau in ungefähr dem Alter, in dem sich Sara bei dem Übergriff befunden hatte, die Beschuldigung zurückgezogen und war aus der Stadt weggezogen. In dem anderen Fall hatte die junge Frau sich das Leben genommen. Jeffrey rieb sich die Augen. Er dachte an Julia Matthews.
    Es klopfte an der Tür, und dann sagte Keith: «Die Zeit ist rum, Jeffrey.»
    «Yeah», sagte Jeffrey und schloss die Akte. Er mochte sie auch gar nicht mehr in den Händen halten. Er streckte sie Keith entgegen, ohne ihn anzusehen.
    «Hat's dir was geholfen?»
    Jeffrey nickte und rückte seine Krawatte zurück. «Ein wenig», sagte er. «Konntest du rausfinden, wo

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