Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
unbedingt der Typ der verbissen auf Manieren und Umgangsformen rumhackt, aber das finde ich schon ein starkes Stück!
Ich klappe meinen Rechner zu und schalte meine Spielekonsole und den Fernseher ein.
Nachdem ich eine Stunde lang Zombies abgeknallt habe, geht es mir besser, und ich beschließe spontan, das gute Wetter für eine Runde Joggen auszunutzen.
Danach gönne ich mir eine ausgiebige Dusche und ein leckeres Abendbrot und liege nach einer Portion Fernsehen ganz brav um halb elf im Bett. Morgen ist schließlich mein erster Arbeitstag, da will ich fit sein!
Aber natürlich – als ich gerade im Begriff bin, in den Schlaf wegzudriften, da kommen sie wieder – die Gedanken, die ich den ganzen Tag über so sorgfältig vermieden habe: die an Manuel und das, was mir gestern passiert ist. Ich schrecke hoch, und dann liege ich wach, komme einfach nicht drüber weg, was da so saudämlich aus meinem Mund geflohen ist.
Selbst jetzt, wo ich allein mit mir in meinem Bett liege, spüre ich, wie mir die Schamesröte ins Gesicht kriecht!
Scheiße, Mann – wie soll ich Manuel denn nur je wieder in die Augen sehen können?
Was Hänschen nicht lernt ...
Fluchend zerre ich an dem tonnenschweren Rasenmäherungetüm.
Der Schweiß läuft mir in Bächen über Gesicht und Körper und halbwegs taub bin ich auch wegen dem infernalischen Lärm, den das Monstrum von sich gibt. Herr Gwisdek sitzt inzwischen auf seinem Rollator auf der Terrasse und gibt mir Tips, an welchen Stellen ich zu unsauber gemäht habe und deshalb nochmal drüberfahren muss.
Am liebsten würde ich den alten Zausel selber überfahren!
Kurz kommt mir das Bild in den Sinn, wie er mit seiner Gehhilfe aufgescheucht vor mir und dem Rasenmäher des Grauens weghumpelt, und sekundenlang hebt sich meine Stimmung ein wenig. Aber dann fährt sich mein Mähwerkzeug zum gefühlt hunderttausendsten Mal im langen Gas fest und geht erneut aus.
Das Scheißzeug ist viel zu lang, bestimmt schon seit Wochen nicht gemäht, und eigentlich müsste hier ein Kerl mit einer Sense ran, nicht ich armes Kerlchen mit diesem knatternden, stinkenden Ungeheuer das vermutlich etwa zu der Zeit gebaut wurde, als das Automobil erfunden wurde und dessen Messerklingen auch alles andere sind, bloß nicht mehr scharf!
Grummelnd drehe ich das Gerät zur Seite, greife unter die Haube und hole die dicken Grasbatzen heraus, die sich dort verklemmt und den Messerbalken blockiert haben. Anschließend stelle ich das Ding wieder auf die Räder, nehme das Anlasserkabel und reiße daran.
Die noch zu mähende Fläche scheint nicht kleiner zu werden, und bis ich heute Nachmittag nach Hause gehen kann, schleifen bestimmt meine Fingerknöchel auf dem Boden. Zumindest habe ich das Gefühl, meine Arme wären von der Schufterei schon mindestens dreißig Zentimeter länger geworden.
Naja, wenigstens ist Herr Gwisdek selber wirklich einigermaßen nett. Obwohl er auf den Rollator angewiesen ist, versorgt er sich noch praktisch alleine, soweit nötig. Soll heißen, er wäscht seine eigene Wäsche und tut auch sonst noch eine Menge im Haus. Fürs Putzen hat er eine Putzfrau und sein Essen kommt vom Roten Kreuz.
Kinder oder sonstige Familie hat er nicht, aber ins Heim möchte er auch nicht, was ich durchaus verstehen kann.
Sein Haus ist ein einstöckiger Bungalow, also alles ebenerdig, und die Dienstleistungsfirma kommt ein Mal im Monat für ein bis drei Tage, je nach Jahreszeit und Wetterlage, um gröbere Sachen zu übernehmen.
Und diesen Monat hat es mich getroffen.
Heute ist Rasenmähen und Unkrautjäten angesagt, morgen darf ich Büsche zurückschneiden.
Dabei muss ich natürlich an Manuel denken und zerre gleich noch ein bisschen verbissener am Starterkabel.
Der Mäher röchelt, spotzt und stirbt sofort wieder ab.
„Mit Gefühl, Junge! Mit Gefühl!“ ruft Gwisdek von der Terrasse und lächelt nachsichtig. Ich hebe eine Hand zum Zeichen dass ich ihn verstanden habe, atme tief durch und versuche es erneut. Und endlich hat das Schicksal ein Einsehen: das Scheißding springt an und ich kann weitermähen, während mir die Sonne auf den Pelz brennt.
Drei Stunden später bin ich auf dem Heimweg. Ich bin müde, stinke unter Garantie wie ein Iltis nach Schweiß, habe einen Sonnenbrand im Gesicht, und jeder Knochen im Leib tut mir weh. Außerdem hat meine Jeans Grasflecken und mein Poloshirt seitlich einen langen Riss.
Wenn ich so weitermache, muss ich bald nackt
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