Ben Driskill - 02 - Gomorrha
er die Gefahr gleichzeitig gesucht und vermieden. Er hatte sein Schicksal herausgefordert, um zu sehen, ob Driskill sich an ihn erinnerte. Er hatte sich sogar zweimal besorgt nach Elizabeth’ Befinden erkundigt.
Wartete Tom Bohannon jetzt auf die Herausforderung, den Präsidenten zu töten? Hatte er vielleicht Bob Hazlitt auf dem Gewissen? Er hatte Rachel Patton observiert – nur das stand für Driskill fest. Augen verschiedener Farbe … Aber was hatte er noch getan? Driskill konnte es vermuten und glaubte, sicher zu sein. Aber er konnte es nicht beweisen. Und diesmal mußte er hieb- und stichfeste Beweise haben.
Driskill hatte das Gefühl, als würde sich das Labyrinth, in dem er herumgeirrt war, jetzt schließen, und er war keinen Schritt näher zum Ausgang gelangt als zuvor.
Er hatte Larkspur gedrängt, den Präsidenten um Himmels willen nicht heute abend ins Kongreßzentrum gehen zu lassen. Er mußte in Sicherheit bleiben, bis Bohannon gefaßt war, und durfte sich nicht vorher in der Öffentlichkeit zeigen. Die Partei – und das ist der Präsident. Punkt! – kontrolliert die Versammlung, hatte er gesagt. Laß durch Mac dem Taylor-Lager ausrichten, daß die Kandidaten am Abend nicht erscheinen werden, um Bob Hazlitt zu ehren. Aber Driskill war überstimmt worden – von der einzigen Stimme, die wirklich zählte, der des Präsidenten.
»Ben«, hatte er erklärt, »ich kneife nicht. Meine Chance, nominiert zu werden, ist zu gut, um sie nicht zu nutzen. Ich werde Taylor nicht die Ausrede zuspielen, ich würde den Parteitag überrollen und meinen Kopf durchsetzen. Wir machen weiter wie geplant. Wir werden heute abend die Nominierung bekommen und – mit etwas Glück – damit die Sache ein für allemal abschließen.«
Im Laufe des Nachmittags drängten sich achttausend Menschen im Parkett des Saals. Weitere fünfundzwanzigtausend füllten die Balkons. Und irgendwo in der Menge steckte Tom Bohannon – oder wer immer er in Wahrheit war. Ein Killer, dessen Gehirn sich vielleicht gerade entzündete und zu rauchender Glut wurde – Driskill wußte fast nichts über ihn. Welche Meinung hatte der Mörder über die Vorgänge? Ergaben sie für ihn einen Sinn? Nahm sein Gehirn irgend etwas außerhalb seines Auftrags wahr? Er war eine Tötungsmaschine – und was würde er nach dem Töten sein? Würde er bis zum Ende an der Seite des Generals bleiben? Oder würde alles plötzlich aufhören?
Gemeine Lügen hatten den Präsidenten von seiner scheinbar unangreifbaren Position als Führer der Mehrheitspartei in einen Wettstreit mit einem Mann aus den eigenen Reihen gebracht. Und diese Lügen wendeten sich jetzt gegen den Herausforderer. Vielleicht blieb ihm nicht die Zeit, sich davon zu erholen. Taylors große Hoffnung beruhte darauf, am heutigen Abend durch eine zündende Rede, die Eingang in die Geschichtsbücher finden sollte, sich die Versammlung zu erobern, so daß ihm alle zu Füßen lagen. Mit diesem Trompetenstoß wollte er zum logischen Kandidaten werden, als Nutznießer von Hazlitts Anstrengungen. Gab es eine solche Rede? Gab es einen Kopf, der eine derartige Rede verfassen konnte?
Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu. Im Parkett hatte es noch einen erbitterten Kampf gegeben, ob man dem Gouverneur des Staates Neu Mexiko, Revolverheld Tony Granado, gestatten sollte, auf dem Parteitag zu sprechen, obwohl der Präsident und Sherman Taylor eine Rede halten wollten. Granados Anhänger hatten nie die Absicht, sich durchzusetzen. Sie wollten ihren Mann für eine Kandidatur in vier Jahren ins Gespräch bringen. Sie erreichten aber, daß der Parteitag anderthalb Stunden beschäftigt war und Granados Truppe Fernsehzeit bekam, die nicht zu bezahlen war.
Vor dem Tagungszentrum stand die Karawane Granados. Der Kandidat hielt eine Rede – ganz ›schlicht‹, wie er es ausgedrückt hätte. Er wies darauf hin, daß Taylor ein Scharlatan und ein Lügner sei und genau wie alle anderen Politiker nur in die eigene Tasche wirtschaften wollte. Er hätte zwar Hazlitt mit schönen Reden unterstützt und die Fahne geschwenkt, aber jetzt? Jetzt war er doch nur noch einer, der ein Stück vom Kuchen haben wollte. Tony Granado erklärte, es sei ein schreckliches Armutszeugnis für Amerika, wenn Männer wie Hazlitt und Taylor vor dem Mann im Weißen Haus kuschen würden, sobald es kritisch wurde. Warum um alles auf der Welt? Sie hätten doch Charlie Bonner mit Anklagen, wie sie noch gegen keinen Präsidenten erhoben worden waren,
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