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Ben Driskill - 02 - Gomorrha

Ben Driskill - 02 - Gomorrha

Titel: Ben Driskill - 02 - Gomorrha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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das Messer in sein Herz eindrang.

KAPITEL 2
    Ben Driskill las die New York Times. Was er las, war für ihn kein Anlaß zur Freude. Erstens widmete die Times beinahe die gesamte Titelseite nationaler Politik. Eine genaue Analyse der letzten Explosion bei den Vorwahlen in Neuengland in der vergangenen Woche, sowie das Trommeln für den bevorstehenden Parteitag. Das gleiche traf auf die Seiten für die nationalen Nachrichten zu, den Kolumnenschreiber, und die Leitartikel …
    Es war eine einzige Politik-Lawine. Zu viel. Eine endlose Feuersbrunst aus Wut, widersprüchlichen Versionen und bösartigen Lügen. Das war nicht die Politik früherer Zeiten. Hier war alles von Haß getrieben und kotzte ihn an. Alles existierte nur noch als direkter Konflikt zwischen den Parteien, wobei die Parteigänger die Messer schon gewetzt und gezuckt hatten. Nachdem Ben Driskill sich intensiv mit dem Leben seines Vaters Hugh Driskill und die Rolle des Todes in der Politik befaßt hatte und darüber hinaus selbst tief in die Politik des Vatikans verwickelt worden war, hatte er das Gefühl, für den Rest seines Lebens genug an Politik gehabt zu haben.
    Er wäre der letzte gewesen, der sich als Intellektuellen bezeichnet hätte oder sich moralisch überlegen fühlte, aber die Ebene der politischen Gespräche sank jeden Tag tiefer. Es war nicht das gleiche, als hätte jemand damals um 1860 Lincoln einen feigen, dem Pöbel den Arsch küssenden Mörder genannt. Jetzt konnte die ganze Welt so etwas auf dem Fernsehbildschirm mitverfolgen. Alles war von den Medien bestimmt und wurde von den Medien ausgebeutet. Da hörte der Spaß wirklich auf. Er wollte nichts damit zu tun haben.
    Und weil er damit nichts zu tun haben wollte, lag ihm noch etwas schwer im Magen. Sein alter Collegefreund Charlie Bonner war vor dreieinhalb Jahren zum Präsidenten dieser Vereinigten Staaten gewählt worden. Auch Ben hatte bei seinem Wahlkampf mitmachen müssen – sonst hätte es einen unheilbaren Bruch zwischen ihm und dem alten Freund gegeben. Charlie hatte ihn gebeten, einige Pflichten beim Sammeln von Spendengeldern zu übernehmen. Ein paarmal hatte er Charlie, der damals Gouverneur von Vermont war, seine Familie und den inneren Freundeskreis auf Wahlreisen begleitet. Ben war unweigerlich eine Art Resonanzboden für Charlie geworden, und er hatte nicht die Kraft aufgebracht, sich während der heißen Wahlschlacht abzusetzen.
    Aber jetzt hatte sein Freund vor sechs Monaten diese grandiose, tapfere, aber auch kontroverse Rede zur Lage der Nation gehalten. Charlie hatte seinen Standpunkt vertreten, und Ben Driskill respektierte ihn deshalb. Und es hatte Charlie viel gekostet. Zwar hatte er bei den Umfragen immer noch dreißig Prozent Zustimmung, aber es hatte einen neuen Kandidaten in die Wahlarena gebracht, der mit allen Mitteln für die Nominierung kämpfte. Es ging um den Kern, ums Herzstück. Um die nationale Sicherheit. Die Leute machten sich wegen vieler Dinge Sorgen und gaben für einige Charlie die Schuld, aber ihre Hauptsorge galt der Macht und dem Prestige Amerikas, und daran war ihrer Meinung nach einzig und allein Charlie schuld. Verdammt viele hielten Bob Hazlitt für einen richtigen Kerl. Aber Charlie war von dem überzeugt, was er getan hatte. Er hielt es für eine Haltung moralischen Urgesteins. Wenn er diese Haltung verlor, dann spielte der Sieg keine Rolle mehr. Das hatte er Ben damals klargemacht, als er ihn bat, zu kommen und mit ihm eine Strategie für die Kampagne zur Wiederwahl im März zu entwerfen.
    Charlie kannte ihn länger als irgendeinen anderen der Szene. Eigentlich nicht überraschend, dachte Ben, daß Charlie spätabends auf einen Drink und eine Analyse der Situation bei ihm vorbeischaute. Aber Ben zögerte, Charlie zu helfen, weil er seine Zweifel über Politik und den dazugehörigen Klimbim hatte. In grauer Vorzeit hatten sie zusammen bei Notre Dame Football gespielt. Die Tatsache, daß Charlie sich zur Politik hingezogen fühlte und schließlich ins Weiße Haus gewählt worden war, war ein Beweis, daß gutaussehende Quarterbacks beim Schönheitswettbewerb, zu dem Politik manchmal ausartete, sehr viel größere Chancen hatten als ungeschlachte Stürmer. Ben Driskill war das nur recht. Er hatte nie die Fähigkeit entwickelt, leicht Kompromisse zu schließen, oder die Geschmeidigkeit des Verstands, die raffiniertesten Routen zu dem zu finden, was man das Allgemeinwohl nannte. Er eignete sich nicht zum Politiker, weil er nicht genug

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