Ben Driskill - 02 - Gomorrha
Brücke gegangen und starrte hinaus in die Nacht. Der Zug pfiff wieder, diesmal lauter. Dann erbebte die Brücke über ihnen. Es donnerte fast ohne Unterlaß.
Der Mann schob sich an Herb Varringer vorbei. Tarlow blickte immer noch hinaus in die Nacht und drehte ihm den Rücken zu. Da stieß er das Messer im Ärmel dem älteren Mann direkt unter dem Brustbein hinein und führte einen schnellen seitlichen Schnitt durch. Er spürte, wie Varringer in seinen Armen starb. Dann hob er den Toten wie einen Sack Zement hoch und schleuderte ihn kraftvoll ins Wasser. Der Stock mit dem Hundekopf tanzte neben der Leiche auf den Wellen. Er schob das Messer zurück in den Ärmel. Dabei spürte er das klebrige Blut an seinem Unterarm.
Endlich drehte Tarlow sich um und rief: »Hier sieht’s aus wie beim Weltuntergang … Herb? Wo ist er?«
»Gerade war er noch da. Ich schätze, er ist weggegangen.«
»Aber doch nicht ohne mich.« Tarlow kam zurück. Verdammt. Er sah den Strohhut, der gegen die Steine klatschte. »Was ist los?«
Der Mann kletterte über die nassen Steine. Tarlow rief: »O mein Gott, er ist reingefallen. Mann, haben Sie ihn nicht fallen sehen? Herrgott, er schwimmt mit dem Gesicht nach unten …«
Der Mann hatte Tarlow fast erreicht, als dieser sich umdrehte. Offensichtlich spürte er, daß etwas nicht stimmte. Er stand auf. Ein sehr kräftiger Kerl. Er starrte den Mann an. Blitzartig erkannte er ihn. Das Messer kam auf ihn zu, er spürte, wie die Klinge durch den Oberarm in die linke Seite drang, doch da rutschte der Fremde aus und stürzte rücklings auf die nassen Steine. Gleichzeitig ertönte ein Höllenlärm, als der Zug auf der Brücke die Fundamente erschütterte. Tarlow kletterte zurück. Er wußte, daß er einen Stich in die Lunge davongetragen hatte, schmeckte das Blut im Mund, wußte, daß seine Chancen nicht die besten waren. Der Fremde rollte auf das Wasser zu, schlug mit dem Kopf an einen Felsen, und seine hilfesuchend ausgestreckte Hand traf den Hut, dann Herb Varringers Kopf …
Hayes Tarlow konnte kaum atmen, die Brust tat scheußlich weh. Er rutschte aus, kroch über den verdammten Beton und die Steine weiter. Er hatte keine Ahnung wohin, wollte sich nur irgendwo in der Dunkelheit verstecken. Aber dann erreichte er die Mauerkrone, taumelte die Stufen hinab. Er war verblüfft, daß er so weit gekommen war, doch da hörte er den Schweinehund hinter sich keuchen. Er kam näher, und der Schweinehund kannte ihn. Tarlow glaubte, er laufe, aber im nächsten Moment wurde ihm klar, daß er kroch. Vor sich sah er den Turm, der wie eine seltsame Kirche aufragte, wie ein Ort der Rettung. Er war völlig durchnäßt. Die Donnerschläge waren wie das Kanonenfeuer in alten Zeiten. Der Zug dröhnte. Er dachte: Verfluchte Scheiße, wenn das die Schlußnummer der Hayes-Tarlow-Show ist, verdammt, dann ist sie ziemlich beeindruckend. Er lächelte beinahe, als er am Schrotturm anlangte und dagegensank, als hätte er nach einer langen Reise sein Zuhause erreicht …
Er blickte zum Plakat hinauf.
Amerikas Lieblingssohn … Iowas Bob Hazlitt.
Das ansprechende Gesicht, die blauen Augen, das Silberhaar und der beschissene weiße Schal … das alte Flugzeug im Hintergrund … Bob Hazlitt …
Tarlow war sich bewußt, daß ihm die Augen den Dienst versagten. Der Mann stand vor ihm. Er blickte in ein Gesicht, das ihm aus längst vergangenen Tagen vertraut war. Der Mann stand nur da und schaute auf ihn herunter.
»O mein Gott«, flüsterte Tarlow. »Du … von allen Leuten …? Ich kenne dich aus Beirut. Diese schmuddelige kleine Bar … Was … zum Teufel … machst du hier?«
»Ich wünschte, ich müßte das nicht tun. Ein Job, sonst nichts. Ich habe nichts gegen dich persönlich, Hayes.«
Tarlow schluckte und versuchte zu lachen. »Du wünschst … das ist wirklich komisch …«
Der Mann ging auf ein Knie. »Gib auf, mein Freund. Gib einfach auf.« Er drückte die rechte Hand direkt über Tarlows Herz.
Hayes Tarlow hatte das unbestimmte Gefühl, als sei dieser Mann sein Retter, der sanft das Leben aus seinem sterbenden Körper befreite und in die Nacht hinausschickte. Dieser Gedanke gefiel ihm. Er blickte auf und versuchte, hinter Bohannon etwas zu erkennen. Sein Blick verschmolz mit dem Bob Hazlitts. Er fühlte sich in das Lächeln und die blauen Augen hineingezogen. Ein freundliches Gesicht hieß ihn willkommen. Das war das letzte, was er sah.
Er fühlte nicht mehr als den sanften Druck einer Fingerkuppe, als
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