Ben Driskill - 02 - Gomorrha
Blödsinn verzapfen konnte. Als Rechtsanwalt war er ein Schlichter gewesen, ein Mann, mit dem nicht gut Kirschen essen war. Bei seinen Methoden, Wunder zu wirken, fehlte es an der Verschlagenheit und den Taschenspielertricks, die für die Politik auf jeder Ebene erforderlich waren.
Charlie Bonner hatte einmal gesagt: »Ben, du bist der am wenigsten hinterlistige Ire, den ich kenne. Als Präsident brauche ich einen Freund, der mir Perspektiven aufzeigen und mich ein Arschloch nennen kann – für den unwahrscheinlichen Fall, daß diese Beschreibung einmal auf mich zutreffen sollte. Ich möchte einen Mann in meiner Nähe, der mir sagen kann: Leck mich! und dann weggehen kann – mit anderen Worten: jemanden, für den ich nichts tun kann. Jemanden, der mich überhaupt nicht braucht. Die Liste ist sehr kurz, mein Freund. Du wirst der Outsider sein, dem ich trauen kann.«
Charlie kam nie auf den Gedanken, daß er damit Ben zu einem Insider machte, unausweichlich von neidischen Rivalen umgeben. Es gab Leute, die behaupten hätten können, daß Ben bei den politischen Schachzügen in der Bascomb-Kanzlei zu erfolgreich gewesen wäre, um jetzt so zu tun, als möge er Politik nicht, und sie hätten nicht unrecht gehabt. Ben Driskill war eindeutig der Erbe von Drew Summerhays Stellung in der Firma. Aber er nahm selten Rücksicht auf die Gefühle der Menschen oder machte ein Hehl aus seinen Ansichten, und er hatte klar ausgedrückt, was er über eine weitere Zusammenarbeit dachte, als Charlie – sehr zu Bens Überraschung – zum Präsidenten gewählt worden war. Er hatte sogar Einladungen zum Abendessen ins Weiße Haus abgelehnt, um seinen Standpunkt deutlich zu machen. Aber aufgrund einer sonderbaren Machtosmose konnte Ben nie völlig der Politik fernbleiben. Schließlich war er mit dem Präsidenten befreundet. Ben Driskill war sicher, daß der Mann im Weißen Haus nicht zögern würde, die Alte-Football-Kameraden-bei-Notre-Dame-Karte zu zücken, wenn er in ernstliche Schwierigkeiten geriet. Aber das war nicht alles, was Ben Driskill Kopfschmerzen bereitete, als er die Times las. Der dritte Grund seiner Sorgen ruhte im Herzen und der Seele der Kanzlei, in der er an seinem eleganten antiken Schreibtisch im Eckbüro im neununddreißigsten Stock des Wall-Street-Tower saß, wo die angesehene Sozietät Bascomb, Lufkin und Summerhays residierte. Die Bascomb-Kanzlei war für die Politik der Demokratischen Partei seit langem eine Stütze im Hintergrund. Keiner hatte der Partei und der Nation besser gedient als das regierende Oberhaupt der Kanzlei, der große Drew Summerhays, der, obwohl schon über neunzig, immer noch als ›Berater‹ fungierte und täglich an den Arbeitsbesprechungen teilnahm … und auch emeritierter Ehrenvorsitzender des Democratic National Comittee war. Das hätte Ben nicht betroffen, hätte das Schicksal nicht Drew Summerhays die Rolle seines Ersatzvaters zugedacht. Nach dem Tod seines leiblichen Vaters, eines Tycoons, und dem seiner geliebten jüngeren Schwester, die Nonne gewesen war, hatte Ben Sicherheit in der Kanzlei gesucht. Selbst seine Heirat mit Elizabeth hatte diese Bindung nicht beeinflußt. Wenn er Unterstützung und einen weisen Rat brauchte, hatte er sich – seit vielen Jahren – an Drew Summerhays gewandt, der ihm tatsächlich eine Art Retter gewesen war. Er liebte und verehrte diesen Mann, was ihm bei seinem Vater nie gelungen war. Aufgrund dieser Tatsachen bemühte sich Drew Summerhays natürlich ständig, Ben in das große Spiel hineinzuziehen: in die Politik.
Drew konnte man nicht so einfach zurückweisen. Driskill hatte oft das Gefühl, eine Enttäuschung für den alten Mann zu sein, weil er sich beharrlich weigerte, bei diesem Spiel – bedeutend oder nicht – mitzumachen. Und an diesem Morgen hatte Drew ihm im Vorbeigehen auf dem Korridor gesagt, er würde nach dem Lunch in Bens Büro vorbeischauen, um mit ihm zu plaudern. Wenn Drew vertraulich mit ihm plaudern wollte, bestand wegen des Themas kein Zweifel.
Komisch, wie sich manchmal alles entwickelte. Wenn es um Politik ging, war Drew ganz vernarrt in Bens Frau. Bei diesem Thema waren sie ein Herz und eine Seele. Es war nicht nur das ganz große Spiel, sondern das einzige. Als Ben Elizabeth kennengelernt hatte, war sie Nonne gewesen, eine liebe Freundin und Kollegin seiner ermordeten Schwester. Elizabeth hatte in Rom gearbeitet, als Korrespondentin des Vatikans für die einflußreiche Zeitung ihres Ordens. Ganz natürlich hatte Ben
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