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Ben Driskill - 02 - Gomorrha

Ben Driskill - 02 - Gomorrha

Titel: Ben Driskill - 02 - Gomorrha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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Seine Augen waren wegen Schlafmangels blutunterlaufen. Er trug graue Hosen, einen blauen Blazer, ein blaues Hemd mit dunkelroter Foulardkrawatte, schwarze Slipper mit Quasten, die so glänzten, daß man sie für Lackschuhe halten konnte. Überhaupt gab es im Weißen Haus die glänzendsten Schuhe im bekannten Universum, sogar noch glänzender als die bei Bascomb, Lufkin und Summerhays, wo ein Schuhputzer jeden Morgen kam, um allen die Schuhe zu wienern.
    »Das ist jetzt der letzte Kriegsrat, ehe Ellen morgen losfährt. Sie kommt erst nach dem Parteitag nach Washington zurück. Für uns steht als nächstes Boston auf dem Programm.« Er hatte angenehme Züge, war immer wie aus dem Ei gepellt gekleidet, ganz gleich, wie müde er sein mochte. Der einzige Makel war, daß er trotz des Rasierwassers immer leicht nach Zigarettenrauch roch. Auch seiner Stimme merkte man an, daß er ein starker Raucher war. Er war gern in Gesellschaft und genoß Gespräche bis zum Morgengrauen, dabei verschmähte er keineswegs Single Malt oder exquisiten Bourbon oder ein Pokerspiel, bei dem er mit teuflischem Geschick, wenn es hart auf hart ging, so bluffte, daß er den Pott kassierte.
    Mit ihm kam Ellen Thorn. Sie war eine politische Strategin von Stanford und Harvard, hatte Kolumnen geschrieben, war Beraterin bei Lobbyisten und arbeitete schließlich als ›Söldnerin‹ für Menschen, die gewählt werden wollten. Sie hatte sich durch eine Reihe unwahrscheinlicher Siege ihrer Klienten einen Namen gemacht, darunter drei Senatoren, die vor der sicheren Niederlage zu stehen schienen, und ein Gouverneurskandidat, der von ganz hinten kam und als Sieger ging. Zu Bonners Team war sie bei seiner letzten Wahl zum Gouverneur gestoßen und hatte bei seiner erfolgreichen Präsidentschaftskampagne gegen den amtierenden Republikaner, Sherman Taylor, eine Schlüsselrolle gespielt. Vielleicht war sie die einzige Person im Raum mit einer wahrhaft skrupellosen Begabung für Politik, mit dem Killerinstinkt. Sie war, wie ihre Gegner zu sagen pflegten, kein Gentleman. Sie war beinahe vierzig, gepflegt, mit kurzen schwarzen Haaren, durchdringenden schwarzen Augen und einem etwas schiefen sexy Lächeln. Sie trug eine dicke Hornbrille, die ein großartiges Requisit abgab. Heute erinnerte ihr rotes Kostüm an Chanel.
    Ellery Larkspur sprach mit ihr, während sie sich im Halbkreis um den Schreibtisch des Präsidenten scharten. Der Nachmittag hinter den hohen Fenstern war bereits dunkel. Es sah so aus, als würde das Unwetter, das über der Ostküste wütete, wieder anfangen. Larkspur zählte die einzelnen Punkte mit den Fingern ab. Ellen stand in dem Ruf, mit unangenehmen Nachrichten vertraut zu sein. Larkspur nicht. Er war der Guru, der Mann, der in jeder Situation einen Hoffnungsschimmer sah. Er war überzeugt, daß, wenn der Überbringer schlechter Nachrichten den Kopf verlor, er – Ellery Larkspur – lieber auf Nummer Sicher gehen und die Dinge aus einem anderen Blickwinkel betrachten wollte. Im Augenblick – Driskill war sicher – bemühte er sich, Ellen Thorn zu überreden, ihre Rhetorik etwas zu dämpfen. »Du mußt den Kandidaten immer die Hoffnung erhalten«, hatte er oft gesagt, »sonst treiben sie auf Nimmerwiedersehen davon. Die Egos sind bei ihnen so riesig und so zerbrechlich – sobald sie die Hoffnung aufgeben, sterben sie dir unter den Händen weg.« Ellen Thorn dagegen stand auf dem Standpunkt, die Kandidaten seien große Jungs und müßten lernen, das Bittere wie das Süße zu schlucken.
    Driskill wollte sich aus der Diskussion um den Wahlkampf heraushalten. Dazu gehörte auch, daß er Charlies Drängen nicht nachgeben wollte. Jetzt lief der Regen die hohen Fenster herab, es donnerte laut, dünne Blitze zuckten über den purpurfarbenen Himmel.
    Begonnen hatten sie mit der Analyse von Ellen Thorns Umfrageergebnissen der vergangenen Nacht. Dann sprachen sie, unter Einbeziehung der keineswegs vielversprechenden Ergebnisse, den Terminplan der kommenden Woche ab. Sie arrangierten eine Bustour – wie früher die Eisenbahnkampagnen – quer durchs Land, bis Chicago. Prominente Demokraten sollten daran teilnehmen und der Präsident, wann immer es ihm möglich war. Damit bekämen sie eine Menge Fernsehzeit. Driskill hatte den Eindruck, als würden alle ausgesprochen verzweifelt planen.
    »Ich finde, wir müssen uns den Fakten stellen«, erklärte Ellen Thorn in ihrer schmallippigen Art. Larkspur schaute finster drein und hatte das Kinn aufgestützt.

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