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Ben Driskill - 02 - Gomorrha

Ben Driskill - 02 - Gomorrha

Titel: Ben Driskill - 02 - Gomorrha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gifford
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annehmen und auf dem Küchentisch liegenlassen.« Cyrus sah knapp über siebzig aus, schlank und zäh wie ein alter Vogel. Er hätte aus der Andy Griffith Show oder aus Psycho stammen können. Man konnte es nicht sagen.
    »Gern. Morgen fahre ich wieder. Er bekommt es, sobald er durch die Tür geht.«
    »Dann unterschreiben Sie bitte hier.« Er gab Driskill ein Klemmbrett und einen Kugelschreiber. »Sie müssen Hayes sehr gut kennen, Mr. Janowitz. Das ist das erste Mal, daß ich erlebe, daß er einen Gast hat.«
    »Wirklich? Ich fühle mich geschmeichelt. Im Herbst hat er mich zum erstenmal heraufgebracht. Ein herrlicher Platz zum Entspannen. Aber man muß die Einsamkeit lieben.« Er gab das Brett zurück. Cyrus händigte ihm den Umschlag aus, der fast ganz mit Marken beklebt war. Normale Geschäftsgröße. Er fühlte sich an, als wäre nur ein Blatt drin.
    Cyrus musterte Driskill abschätzend. »Na ja, ich schätze, das geht dann schon in Ordnung. Eigentlich muß ich ein Einschreiben ja direkt an den Empfänger übergeben, aber … ach was, Sie haben ja unterschrieben. Und Sie sehen wie ein ehrlicher Kerl aus.«
    »Nun, ich tue mein Bestes.«
    »Dann wünsche ich einen schönen guten Abend. Meine Frau bringt mich um, weil ich an meinem freien Tag eine Zustellung mache. Genießen Sie mal schön die … wie war das? Die Einsamkeit?«
    »So ist es.« Driskill stand lächelnd auf der Schwelle und winkte, als der alte Wagen drehte und wieder im Tunnel der Bäume und Büsche verschwand. Dann holte er tief Luft. Er hoffte, daß Cyrus nicht die Nummernschilder des Buicks gesehen hatte. Sie waren aus dem Scheiß-Washington. Sobald man den kleinen Zeh ins Wasser steckte, um die Temperatur zu testen, packte ein riesiges Ungeheuer das Bein und zog einen hinein, ohne daß man wußte, wie oder warum das geschah. Vor weniger als achtundvierzig Stunden hatte er Drew Summerhays’ Leiche gefunden. Und jetzt machte er sich Sorgen wegen seiner Nummernschilder.
    Kaum war der Wagen weg, öffnete Driskill den Umschlag. Was immer er erwartet hatte, das eine Blatt in seiner Hand war es nicht.
    Keine Worte, keine Nachricht.
    Nur eine einzige, von Hand gezogene Linie schlängelte sich über die Seite. Vielleicht der Verlauf eines Flusses? Oder eine Landstraße? Nur eine wirre Linie, ungefähr zwanzig Zentimeter lang, zog sich von der oberen linken zur unteren rechten Ecke, wenn er das Blatt nicht falsch herum hielt.
    Driskill betrachtete beide Seiten des Blatts genau. Dann legte er es beiseite und schaute in den Umschlag. Aufgegeben war er in Saints Rest, Iowa. Was immer es war, es war wichtig genug, um es ins Versteck zu schicken, und andererseits zu wichtig, um es bei sich zu tragen. Absender waren nur die hingekritzelten Buchstaben HT, wenn man genau hinsah. ›Einschreiben‹ und die Adresse waren in Druckbuchstaben geschrieben. Ansonsten war nichts zu sehen. Die Briefmarken, die Stempel. Sonst nichts.
    Und ein gefaltetes weißes Blatt Papier.
    Eine einzige Linie.
    Trotzdem war es wichtig. Wichtig für Hayes Tarlow. Vielleicht so wichtig, daß er deshalb hatte sterben müssen.
    Aber für Ben Driskill hatte das Scheißding keinerlei Bedeutung.
     
    Er wollte noch einen Blick ins Schlafzimmer werfen. Als er das Licht einschaltete, war er überrascht, was gegenüber am Fußende des Betts an der Wand hing. Es war an die Bohlenwand genagelt. Offensichtlich war das Schlafzimmer nachträglich ans Haus angebaut worden.
    Es war das riesige Plakat, das Sherman Taylor im Wahlkampf benutzt hatte, als er sich um eine zweite Amtszeit beworben hatte, aber von Charlie Bonner geschlagen worden war. Es war eines der besten politischen Plakate, die je entworfen worden waren, ein Triumph der teuersten kreativen Köpfe der Madison Avenue.
    Taylor, sehr heroisch, zweimal im Halbprofil. Einmal als Held der Marineinfanterie in Ausgehuniform, offensichtlich aufgenommen, als er kommandierender Offizier am Persischen Golf gewesen war – das beste Plakat, um Rekruten zu werben, das Gesicht wie aus Granit gemeißelt und gerade so weit gedreht, daß man das stahlharte Glänzen der zusammengekniffenen Augen sah, wie er auf den Feind hinabblickte. Der andere Taylor, ebenfalls der Plakatmitte zugewendet, war der willensstarke, aber auch sensible Weltführer, hager und gut aussehend wie Clint Eastwood, die tiefen Linien im Gesicht spiegelten den Charakter der Heldenseele des Mannes wider, gleichzeitig war da aber auch eine wundersame Aura von Wärme in den stahlharten

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