Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
120-PS-Motor und einer Glasfaserkabine, in die man bei schlechtem Wetter ausweichen konnte. Auch wenn es nicht dafür gemacht war, um längere Zeit darauf zu leben, fanden doch zehn oder zwölf Personen für mehrere Stunden bequem darauf Platz, oder man konnte zu zweit ein paar Tage übernachten – oder auch länger, wenn man entsprechende Vorbereitungen traf. Die zwei gepolsterten Bänke auf dem Vorderdeck ließen sich zu zwei Einzeloder einem Doppelbett umbauen, und einen transportablen Tisch gab es auch.
In der Kabine waren alle Annehmlichkeiten vorhanden, die man auch zu Hause hatte, einschließlich einer kleinen Einbauküche mit fließendem heißen und kalten Wasser, einem Herd mit drei Flammen, einer Spüle, einem mit Propangas betriebenen Kühlschrank und einer kleinen Eckbank, die ebenfalls zu einer Schlafgelegenheit für zwei Personen umfunktioniert werden konnte. Im hinteren Teil gab es eine Dusche und eine Toilette. Hinten und vorn hatte die Kabine Glasschiebetüren, so dass Luft hereinkommen konnte und man sowohl auf das hintere als auch auf das vordere Deck hinaustreten konnte.
Im Heck war ein Aluminiumdinghi mit einem 10-PS-Außenbordmotor befestigt. Dadurch hatte man zusätzlichen Bewegungsspielraum, weil es in den Sümpfen viele Stellen gab, die man mit dem großen Pontonboot nicht erreichen konnte. Für Tagestouren oder einfach nur, um sich auf dem Wasser ein bisschen zu vergnügen, konnte die Ausrüstung nicht besser sein.
Falls April beeindruckt war, so ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Sie wirkte auch nicht nervös, als sie an Bord ging, was Luke nach ihrer schlechten Erfahrung heute nicht ganz auszuschließen gewagt hatte. Sie ging vor ihm nach achtern und half ihm, den Proviant zu verstauen, dann setzte sie sich auf eine der vorderen Bänke, während er den Außenbordmotor anwarf. Er gab Gas, und sie fuhren aufs offene Wasser hinaus.
Luke sah, dass April auf Chemin-a-Haut schaute, auf den verwitterten Aussichtsturm in der Nähe des Ufers, den von der Sonne beschienen, sanft abfallenden weichen Rasen und das große alte zweistöckige Anwesen, das fest und unerschütterlich dastand und auf den See hinausschaute. Er fragte sich, was sie wohl denken mochte, während sie so nachdenklich auf die massiven Säulen und die Schatten spendenden hohen Bäume schaute, ob sie sich fragte, wie es wohl sein mochte, hier die Hausherrin zu sein, oder ob sie es einfach nur mit Mulberry Point verglich.
Er würde es nie erfahren, wenn er nicht fragte. Und zu fragen war das Letzte, was er zu tun gedachte.
Unter der Sitzbank, auf der sie sich niedergelassen hatte, waren ein oder zwei Badeanzüge und ein paar zusätzliche T-Shirts und Shorts verstaut. Luke dachte daran, ihr vorzuschlagen, dass sie sich der Bequemlichkeit halber umziehen solle, aber er konnte sich nicht dazu aufraffen. Irgendetwas an ihrem altmodischen Kleid und wie es ihre Brüste und ihre schlanke Taille betonte, erhitzte seine Sinne. Ebenso wie die Art, wie der Wind am Saum des weiten Rocks zerrte, der ihre Fesseln umspielte, wobei immer wieder ihre weißen spitzenbesetzten Petticoats aufblitzten. Sie war die personifizierte Einladung, auf Entdeckungsreise zu gehen, auch wenn ihr Verhalten jeden derartigen Gedanken verbot. Und doch konnte er nicht aufhören, sie anzuschauen.
Ein großer Reiher flog aus dem flachen Wasser auf, lautstark protestierend, weil sie ihn bei seiner Nahrungssuche aufgestört hatten. April wandte den Kopf und schaute ihm nach, wie er dicht über der Wasseroberfläche davonflog. Der Wind spielte in ihrem Haar, das sie offen auf die Schultern herabfallend trug, und die Sonne fiel ihr schräg übers Gesicht. Ihre Lider gingen für einen Moment nach unten, während sich ihre Brust in einem langen und tiefen Atemzug hob und wieder senkte.
Abrupt, fast als ob sie seinen Blick gespürt hätte, öffnete sie die Augen und schaute ihn an. Als ihm klar wurde, dass sie ihn ertappt hatte, setzte er sich ein bisschen anders hin, aber er schaute nicht weg. Sie hielt seinen Blick fest, während der Anflug eines Lächelns nach und nach die Anspannung aus ihren Augen verdrängte. Sie hob die Hand, um sich eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen, die ihr um den Mund flatterte. Sie hielt sich das Haar zurück, während sie ihm, um das Röhren des Außenbordmotors zu übertönen, zurief: „Vielleicht war es ja doch keine so schlechte Idee.“
Luke bekam postwendend ein schlechtes Gewissen. Eine Sekunde lang erwog er
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