Benjamins Gärten (German Edition)
zerstören, was ich liebe. Ein Kampf zwischen meinem Herzen und der Notwendigkeit. Ein Kampf zwischen den glatten Teppichen der nachbarlichen Vorgärten und meiner Sehnsucht.
Ich stehe auf, ignoriere die Sense, die am Birnbaum lehnt, gehe am Haus vorbei und verlasse meinen Garten. Neben einem gepflegten Haus knattert ein Rasenmäher, meuchelt Gänseblümchen und zarte Grashalme, wohl schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. Arme Menschen, die sich nicht vom Zauber einer ungebändigten Wiese verführen lassen können. Bin ich der Einzige, der die Magie sieht? Für den eine Wiese mehr ist als ein Heulager oder ein Feind?
Ich lasse das Gefühl der Fremdheit hinter mir, als ich die überwucherte Auffahrt zur Villa hochgehe. Widerstandsfähige Kräuter zwischen ausgefahrenen Rinnen, ums Haus hohe Gräser. Die Fenster der Villa blicken mich an wie tote Augen. Nur der von Werbung überquellende Briefkasten zeugt davon, dass das stille Haus nicht völlig unbewohnt ist. Ich zerre die Prospekte aus dem Kasten, gehe zum Nebengebäude. Unter einem Blumentopf hole ich den Schlüssel hervor. Ich öffne die Schuppentür und werfe die Prospekte in die Kiste zu den anderen. Staub macht die Fenster blind, gefiltertes Licht fällt auf Geräte und Baumaterial. Ich werfe die Tür wieder zu, aber sie fällt nicht ins Schloss. Ich trete mit dem Fuß solange dagegen, bis sie mit einem wütenden Klacken zuspringt. Gehe noch einmal zum Haus, klinke an der Haustür. Sie ist fest verschlossen. Natürlich. Ich setze mich auf die Stufen. Das verdammte Gras um diese verdammte Villa muss bald gemäht werden. Die höchsten Gräser umspielen die rissigen Stämme der Bäume. Vielleicht will Marek, dass ich hier mähe. Aber ich habe genug zu tun. Ein Haus macht nun mal Arbeit. Das erledigt sich nicht in Abwesenheit.
Ich lege die Arme auf die Knie und lasse den Kopf hängen. Ich kratze mit dem Fuß Dreck von der Stufe. Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Ich spucke auf den Boden. Dann richte ich mich auf. Was kümmere ich mich überhaupt hierum? Ich schwöre mir, nicht mehr herzugehen in seiner Abwesenheit. Ein paar Tage. Pah. Blöde Schindeln, Regenrinnen, Kacheln, die es zu besorgen gilt. Wen interessieren Details?
Ich blicke an der Villa hoch. Die Details halten auch hin, machen Arbeit. Sie fesseln ihn. Können die Frist in die Länge ziehen. Er wird wiederkommen, das Gras ist zu mähen, die tröpfelnde Regenrinne auszubessern. Ich mache mich auf den Heimweg, drehe mich nicht zu den glänzenden, leeren Augen der Villa um.
Die Glocke des Kirchturms schlägt elfmal, treibt mich an, wieder ein Vormittag, der fast vertrödelt ist. Ich beschließe, die Wiese in Angriff zu nehmen. Doch vorher gehe ich in die Küche, trinke Wasser wie ein erschöpfter Wanderer.
Hinter mir höre ich ein Geräusch, drehe mich herum. Die angelehnte Küchentür wird ein Stück aufgestoßen, ein kleines Näschen schiebt sich hartnäckig in den Spalt, bis er groß genug ist. Dann folgt dem Näschen eine kleine, rotbraun getigerte Katze. Sie betritt den Raum, ohne mich weiter zu beachten, schnüffelt neugierig unter dem Tisch herum. Dann kommt sie wie zufällig in meine Nähe, streift mein Bein. Ich knie mich hin.
»Na Kleine, wo bist du denn ausgerissen?« Ich halte ihr meine Hand hin. Sie schnuppert daran, wobei sich ihr feines rosiges Näschen kräuselt. Dann stupst sie meine Hand mit dem Köpfchen an, das ist wohl ein Freundschaftsangebot. Ich hebe das Tier hoch und streichle es. Halte mein Ohr an seinen Hals und höre Schnurren. Als ich mich zur Tür drehe, steht darin Marek.
»Ich wusste, dass ihr euch mögen würdet.« Er lacht über mein verdutztes Gesicht. Dann kommt er näher, küsst mich. Das Kätzchen windet sich aus meinem Arm und springt zu Boden. Er kniet sich hin und streckt die Hand aus, bis das kleine Wesen neugierig zu ihm gelaufen kommt und sich huldvoll streicheln lässt. Ich knie mich auch hin, unsere Hände treffen sich im weichen Fell der Katze.
»Es ist ein Kater. Schau, er hat haselnussbraune Augen, sehr ungewöhnlich«, sagt er. Er schaut mich an, nicht die Katze. Er ist es, der ungewöhnlich blaue Augen hat. Ich betrachte ihn. Seine Haut ist leicht gebräunt, die Haare kürzer. Sie wirken dadurch noch blonder, strahlend wie er selbst. Er schaut mich immer noch unverwandt an. Ich lege meine Hand in seinen Nacken, ziehe seinen Kopf heran und küsse ihn.
Der Kater, über die mangelnde Aufmerksamkeit empört, springt auf die Fensterbank und
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