Benjamins Gärten (German Edition)
»Ich schicke dir einen Dachdecker vorbei, den ich kenne. Gleich heute Abend. Und ich helfe dir, keine Sorge.«
Ich umarme ihn. Verspreche ihm ein üppiges Frühstück. Habe es mir verdient. Er löst sich von mir.
»Nein, ich mach jetzt los. Ich kann nicht immer bummeln, die Villa muss auch mal fertig werden.« Er küsst mich flüchtig, geht dicht an mir vorbei.
»Obwohl ich mag, wie du mich von der Arbeit abhältst«, flüstert er an meinem Ohr. Die Stiege knarzt unter seinen Schritten. Ich muss schmunzeln. Vergesse darüber, enttäuscht zu sein. Ich schaue mich um, Streifen Morgenlicht fallen durch die Luken, erhellen einzelne Ecken. Ich öffne eine staubige Holzkiste, finde altes Spielzeug darin, das nicht mir gehörte. Darunter liegen Schulhefte. Mathe, sechste Klasse. Ich blättere darin. In jede Ecke habe ich Waffen gezeichnet. Verzierte Schwerter, Schilde mit prächtigen Wappen, glänzende Lanzen. Etwas Weiches streicht um meine Beine. Ich beuge mich nach unten, an Jureks Näschen hängt eine Spinnwebe. Ich pflücke sie ihm ab.
»Na, willst wenigstens du mit mir frühstücken?« Er mauzt und läuft eilig die schmale Treppe hinunter. Eine deutliche Antwort. Ich folge ihm und fülle sein Näpfchen, ziehe aber selbst mit meiner Kaffeetasse hinaus in den Garten. Noch immer Morgenlicht im Grün, doch die Kühle ist gewichen, der Tag verheißt Sommer. Neben dem Haus liegen Fensterflügel auf Böcken, Stücke abgewetzten Sandpapiers liegen darunter. Ich fahre mit meinen Fingern über den glänzenden Lack. Ich hätte es Marek zeigen sollen. Ich habe versucht, genauso sorgfältig wie er zu arbeiten.
Ich gehe im Kopf meine Liste durch. Es gibt eine Menge ums Haus zu tun. Und ich schiebe es gern vor mir her. Trödele herum, träume, drücke mich davor. Aber es nützt nichts. Ich trinke seufzend meinen Kaffee aus, trage die Fenster ins Haus und hänge sie in ihre Angeln. Danach bringe ich andere nach draußen und nehme das Sandpapier in die Hand, um den aufgerissenen, mürben Lack zu entfernen. Aber dann verlässt mich die Lust, wieder an Fenstern zu arbeiten und ich lasse meine Hand sinken.
Ich gehe ums Haus herum auf der Suche nach etwas anderem. An der Hauswand ist ein Stück Putz bröcklig. Es ist kein großes Stück. Ich hole einen Hammer. Als ich die lose Stelle abschlage, kommt mir gleich noch mehr entgegen. Ich werde vorsichtiger, aber es hat keinen Sinn, der Putz hat keinen Halt mehr. Ich muss alles Lockere entfernen.
Nach einer Stunde überblicke ich die Wand, die Haufen abgeschlagenen Putzes darunter. Wenigstens ist das Mauerwerk trocken. Ich habe immer Angst, dass etwas Größeres nicht in Ordnung sein könnte, etwas Substanzielles. Feuchte Mauern, morsche Balken, ein undichtes Dach. Noch habe ich etwas Geld vom Erbe, von der Lebensversicherung. Ich zehre davon, lebe sparsam. Aber ich müsste Geld zurücklegen.
Während ich den Mörtel anmische, frage ich mich, ob sich das alles lohnt. Die Mühe, die Arbeit, die Sorge für ein altes, marodes Haus. Um den Preis, an einen Ort gebunden zu sein. Nicht die Möglichkeit zu haben, woanders zu leben. Die Vorstellung, mein ganzes Leben hier zu verbringen, erschreckt mich. Als wäre der Weg, den das Leben für mich bereithält, schmal und überschaubar.
Ich richte mich auf, betrachte das Haus. Den kleinen Apfelbaum, den ich so mag und das Vordach, das mein Vater angebaut hat. Sehe die Erinnerungen, die in diesem Haus leben, die Wurzeln, die es mir gibt. Und fühle mich nicht wirklich frei für eine Entscheidung. Kann sie nicht losgelöst von dieser Verbundenheit treffen. Ich würde nicht so an dem Haus hängen, wenn meine Eltern noch leben würden. Ich würde es mögen, aber es wäre nicht meins. Nicht der Hort verblassender Erinnerungen an Verstorbene. Nicht das einzig Solide in meinem Leben. Es wäre nur das Haus meiner Kindheit und meine Eltern würden darin leben.
Jurek springt aus dem Fenster, beschnuppert interessiert einen Putzhaufen und kommt dann zu mir. Ich wische meine dreckigen Hände an der Hose ab, hocke mich hin und streichle ihn. Er setzt sich hin und überblickt zufrieden seine Latifundien.
»Und was würdest du in der Stadt machen?«, frage ich ihn. Er liebt seine Freiheit und ich kann ihn mir nicht eingesperrt in einer Wohnung vorstellen. Überrascht stelle ich fest, dass ich mich mit der Entscheidung, den Kleinen von Marek anzunehmen, ein Stückchen mehr an mein Haus gebunden habe. Er reckt sich, stupst mit seinem Näschen an meine Hand
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