Benkau Jennifer
einen schönen Abend wünschen“, giftete sie ins Telefon. „Eigentlich ist es gut, dass du gegangen bist. So komm ich doch noch zu meiner Party.“
Sie drückte die Verbindung weg und fühlte sich dreimal miserabler als zuvor. Außerdem wurde ihr bewusst, dass sie sich schon wieder lächerlich machte und sich aufführte, wie ein bockiges Kind. Sie ließ das Handy in die Schürzentasche fallen und strich sich die Haare aus der Stirn. Dort Hörner vorzufinden, hätte sie nicht im Geringsten irritiert. Sie war eine Zicke, die sich nicht eingestehen wollte, wie verletzt sie sich fühlte. Hart schluckte sie die bittere Wut hinunter, die sich inzwischen allein gegen sich selbst richtete, und fluchte stattdessen nun doch auf das Wetter.
Zum Festplatz dauerte es ungewöhnlich lange. Es war schon beinahe zehn Uhr, als der Nebel die Sicht auf die Feuer freigab. Wenig später tauchten die ersten Menschen aus der geisterhaften Kulisse auf und sie erkannte die Bühne. Die Männer am Eingang nickten ihr zu, offenbar erinnerten sie sich an sie.
Der musikalische Höhepunkt hatte bereits begonnen, die Leute ließen sich von der Witterung nicht stören und feierten ausgelassen. Doch Helena blieb abseits. Ob es am Dunst lag oder an ihrer gedankenvernebelten Stimmung war ihr nicht klar, aber sie fand an diesem Abend keinerlei Zugang zur Musik oder den euphorisierten Menschen. Herzukommen war eine blöde Idee gewesen. Sie fühlte sich wie ein Fremdkörper. Ein störender Fettfleck auf der Mattscheibe, der den Film versaut.
In dem Schankwart, dem der Fremde in der letzten Woche sein eigenes Gebräu ins Gesicht geschüttet hatte, ein bekanntes Gesicht zu erkennen, munterte sie ein wenig auf. Sie trat an seinen Tresen und lächelte ihn an. „Für den Fall, dass Sie sich an mich erinnern, möchte ich mich entschuldigen.“
Er zog fragend die Brauen hoch, worauf sich drei Wülste auf seiner Stirn abzeichneten. „Ach!“, rief er dann. „Ihr seid das, rotes Frollein. Seid gegrüßt. Hoffentlich besser gelaunt an diesem schönen Abend.“
„Geht so. Aber hört, guter Mann. Was da beim letzten Mal passiert ist, tut mir ausgesprochen leid.“
„Schwamm drüber. Jeder ist mal dünnhäutig.“ Er lachte breit. „Kann ich Euch denn heute von meinem Wein anbieten, ohne ihn ins Gesicht zu bekommen? Ich schwör’s Euch, Ihr seht aus, als hättet Ihr ihn nötig.“
„Na danke“, murmelte Helena, nickte jedoch und schob ein paar Euro über den Tisch. Sei es drum. Dann würde sie sich eben hemmungslos betrinken und später ein Taxi rufen. In die Pampa würde das sicherlich nicht kommen, aber vom Parkplatz bis zur Straße war es nicht weit.
Sie hatte mit Met gerechnet, doch statt süßen Honigweins war es ein äußerst starkes Zeug, welches der Alte ihr in einem Steingutbecher über die Theke schob. Brandwein, vermutete sie. Es schmeckte abscheulich und ätzte ihr fast ein Muster in die Zunge. Der Schankwart amüsierte sich prächtig über die Fratzen, die sie beim Trinken zog, schenkte allerdings gut gelaunt umso großzügiger nach. Auch gut.
Helenas Kopf nahm an Gewicht zu. Immer dichter wurde der Nebel, gefüttert vom Rauch der Feuer. Dunkle Schemen tanzten hindurch, sich dem Takt ihres Pulsschlags unterwerfend. Oder ergab ihr Herz sich längst der Musik?
Er stand reglos inmitten der treibenden Menschen. Vermutlich unterschied ihn nur das von allen anderen. Im ersten Moment dachte Helena, Samuels Statur zu erkennen, doch dann nahm sie das glatte, glänzende Haar wahr, das er zu einem Zopf zurückgebunden hatte. Die Strähnen, die es wie silbrige Lichtschweife durchzogen. Außerdem war dieser Mann viel größer als Samuel. Es war ihr Chriss-Angel-Verschnitt, den sie letzte Woche gesehen hatte. An seinem Gürtel hing ein breiter Haudegen, vermutlich ein Pallasch, mit gewundenem Faustschutz in einem schlichten Portepee aus Leder. Sie wäre jede Wette eingegangen, dass die Waffe scharf war. Solche Typen hingen sich keine harmlosen Spielzeuge um. Ein Kreuz reichte an einem Lederband bis auf seine Brust. Einfaches Silber, keine Gravuren.
Wann war er so nah gekommen, dass sie Einzelheiten erkennen konnte?
Sie starrte ihn an und er lächelte. Ob es der Alkohol war, der trübsinnige Rausch der Enttäuschung, oder etwas ganz anderes, wusste sie nicht, aber sie erwiderte dieses Lächeln mit schräg gelegtem Kopf. Er hob seine Hand an den Mund, benetzte seine Fingerspitzen mit der Zunge und strich sich über die Unterlippe.
Ein nervöses
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