Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phoenixfluch
Vom Netzwerk:
ihm, legte ihre Hände an seinen Brustkorb und sah ihn an.
    „Du isst … gar nichts?“
    „Doch.“ Er schluckte schwer am Ekel vor der Wahrheit. Es war widernatürlich. Unmenschlich. „Morgens brauche ich jede Menge Süßes, denn ich bin dann völlig unterzuckert. Danach esse ich für gewöhnlich nichts mehr. Es ist unnötig. Innerhalb von sechzehn Stunden verhungert man nicht. Ab und zu esse ich, um nicht aufzufallen.“
    „So wie gestern bei mir.“
    „Entschuldige. Ich wollte dir nichts vorspielen.“
    Sie schüttelte irritiert den Kopf, presste die Hände fester gegen seine Brust. „Und so rein aus Genuss?“
    „Es ist unnötig“, wiederholte er fest. Erst bei den weiteren Worten spürte er seine Stimme unsicher werden. „Ich habe über viele Jahre hinweg Menschen hungern sehen, Helena. Das prägt. Es ist schwer, zu genießen, was man in Wahrheit nur verschwendet.“
    „Du verschwendest nichts, wenn du es zu dir nimmst.“ Sie schnaubte abfällig. „Die Zeiten haben sich geändert. Du hast dich doch auch verändert.“
    „Ich bin anpassungsfähig, mag sein, aber trage dennoch das Brandmal einer jeden Zeit, die ich durchlebt habe.“ Er lächelte in der Hoffnung, es würde sie anstecken. Das tat es, jedoch war es kein unbeschwertes Lächeln mehr. Eher schien es … verzaubert.
    „Du bist sonderbar, weißt du das?“ Sie legte ihre Wange an seine Brust, ihr Ohr direkt über seinem Herzschlag. „Wanderst durch die Zeit, nimmst überall das Schwerste mit, das du finden kannst, und gehst voll beladen immer weiter.“
    „Ich lasse Chaos hinter mir.“
    „Jeder tut das. Und was ist daran falsch, hm?“ Die plötzliche Provokation in ihrem Blick stach in seine Augen und schien im gleichen Moment seine Wunden zu kühlen.
    „Weißt du, was ich über das Schicksal gelernt habe, Samuel? Dass jeder sein eigenes hat und dieses sich erfüllt, wie es sein muss. Hast du je überlegt, was hätte geschehen können, wenn dieser Krieg nicht gewesen wäre?“
    „Jeden Tag“, antwortete er tonlos. „Jeden Tag frage ich mich, was geschehen wäre, wenn ich richtig gehandelt hätte.“
    „Du verstehst mich nicht. Vielleicht hätte ein Aufschub die Dinge nur schlimmer gemacht. Vielleicht hätte dein Sohn Hitler aufgehalten, doch ein anderer wäre an seine Macht gelangt. Jemand Klügeres, zu späteren Jahren, mit noch stärkeren Waffen. Hitler war nicht der erste Nazi und erst recht nicht der letzte. Womöglich wären wir jetzt gerade im Krieg, wenn …“
    „Helena, bitte nicht.“
    „Doch. Was hat Moira gesagt? Ein Tod um Tausend andere zu verhindern. Führe den Gedanken weiter.“
    „Nein!“, rief er. Es klang grob, durch den Stoß purer Verzweiflung, der ihn traf. „Nein, hör auf. Hör. Auf.“
    Sie schob die Unterlippe vor und wich ein Stück zurück. „Ich will dir nur helfen.“
    „Rede es nicht schön“, presste er zwischen den Zähnen hindurch. „Du hast nicht das Recht, zu spekulieren, ob es gut so war, wie es geschehen ist. Ich war dabei und ich kann es dir sagen. Und ich sage dir: Nein, es war nicht gut! Es hätte nicht schlimmer sein können. Nichts davon war gut!“
    „Nicht gut, aber vielleicht unvermeidlich.“
    Er schnaubte höhnisch. „Dann hat Moira mich deshalb verflucht, ja? Weil es unvermeidlich war. Danke, Helena, vielen Dank. Aberich bleibe doch lieber der aus gutem Grund Gestrafte, statt zur Ameise zu werden, der ein gelangweiltes Kind zur Belustigung mit dem Brennglas hinterherjagt.“
    „Du willst deine Schuld gar nicht loslassen, oder?“ Ihre Augen wurden kühl, und er ahnte, dass sie unter dem Eis ihr Mitgefühl verbarg. Er war ihr unendlich dankbar dafür. „Du sammelst so viel Schuld an und wunderst dich, dass du nicht darunter zusammenbrichst.“
    „Ich stehe noch, Helena. Versteh doch, ich trage lieber Schuld, als ein Spielzeug zu sein. Vielleicht ist diese Schuld ja das Letzte, das von mir übrig ist. Das Letzte, wodurch ich mir ein bisschen Stolz bewahren kann.“
    Von was für einer Art Stolz redete er da eigentlich? Stolz darauf, der zu sein, der alles zerstört hat? Lieber das, als ein Opfer übermächtiger Gegner, die nur ihre Zeit damit totschlugen, ihn zu quälen. Hatte er nicht immer schon gerne zerstört? Er dachte an die Boxer im Ring, an ihre gebrochenen Nasen, zugeschwollenen Augen und aufgeplatzten Lippen, und sehnte sich plötzlich danach, jemanden zu schlagen. Mitten ins Gesicht. Nicht aus Wut, sondern der alten Zeiten wegen. Dem zu Ehren, der er einmal

Weitere Kostenlose Bücher